Interview mit Franz Maget:"Wir sind die Partei des Münchner Gefühls"

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Er sieht sich nicht als Verlierer: Der scheidende Chef der Stadt-SPD über Erfolge und Misserfolge.

Jan Bielicki

SZ: Sie wollen im Mai den Vorsitz der Münchner SPD abgeben. Warum eigentlich?

Franz Maget bei der Wahlanalyse: Im kommenden Mai will der Fraktionschef den Vorsitz der München-SPD aufgeben. Trotz der jüngsten Wahlschlappe in Bayern sieht er sich nicht als Verlierer. (Foto: Foto: ddp)

Franz Maget: Ich werde dann zwölf Jahre an der Spitze der Münchner SPD gestanden haben. Es ist immer gut für eine Partei, wenn nach so langer Zeit eine neue Führungsfigur auftaucht. Eine Partei braucht Veränderung, neue Ideen, neue Impulse. Uli Pfaffmann wäre darum ein geeigneter Nachfolger.

SZ: Ihre Ankündigung folgt einer Landtagswahl, bei der die SPD ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Krieg eingefahren hat...

Maget: Meine Entscheidung habe ich bereits unmittelbar nach der Kommunalwahl getroffen, bei der wir ein sehr gutes Ergebnis erzielt haben.

SZ: Landesweit nur 18,6 Prozent - was sind für den SPD-Chef die Ursachen dieser Wahlniederlage?

Maget: Das kann man nicht schönreden, das war eine Enttäuschung. Aber die Konkurrenz unter den Parteien ist auch größer geworden. Wir haben die Linkspartei und ein Erstarken der kleineren Parteien. Der Absturz der CSU hat dazu geführt, dass wir bei einer Landtagswahl in München fast gleichauf sind mit der CSU. Das hat es so noch nie gegeben. Damit will ich unser Ergebnis nicht schöner zeichnen, aber es zeigt, dass wir uns einigermaßen haben halten können. Es war also ein schlechtes Ergebnis, aber eines, auf das wir aufbauen können.

SZ: Stimmt es Sie nicht bedenklich, wenn die SPD in München nicht einmal 30 Prozent der Wähler für sich gewinnt und nun der Ruf nach einem Sonderparteitag laut wird?

Maget: Natürlich gibt es Anlass, selbstkritisch zu diskutieren. Aber wenn ich vergleiche, wie die Lage der SPD in Stuttgart, Frankfurt, Köln, Düsseldorf oder Hamburg aussieht, dann steht die Münchner SPD sehr gut da, trotz einer enttäuschenden Landtagswahl. Wir können mit Fug und Recht behaupten: Wir sind die München-Partei, die seit Jahrzehnten die Geschicke dieser Stadt gut, erfolgreich und anständig lenkt. Auf diese Vertrauensbasis bin ich stolz. Aber wir haben genug zu tun, damit wir diese Führungsrolle weiter beanspruchen können.

SZ: Bei Ratswahlen liegt die SPD regelmäßig um zehn Prozentpunkte über ihren Ergebnissen bei Landtags- oder Bundestagswahlen. Woran liegt das?

Maget: Wir haben unser stärkstes politisches Personal in der Kommunalpolitik. Das ist immer die Person des Oberbürgermeisters gewesen. Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter, Christian Ude sind herausragende Gestalten der Stadtpolitik, die aber auch auf ein breites Fundament aufbauen können. Die Ratsfraktion und die Referentenbank sind gut besetzt, die Bürgermeisterin Christine Strobl wird zunehmend präsent und beliebt. Und zweitens gibt es ein ganz besonderes München-Gefühl. Dieses Gefühl hat die SPD wie keine andere Partei immer erfasst und umgesetzt in ihrer Politik. Wir haben es immer geschafft zu hören, was die Münchner denken und wollen.

SZ: Was ist der Unterschied zwischen der SPD, deren Vorsitz Sie 1997 eher widerwillig übernommen haben, und der Partei, die Sie übergeben wollen?

Maget: Wir haben damals kommunalpolitisch knapp die Oberhand behalten in der Stadtratswahl 1996. Wir haben uns dann deutlich stabilisiert. Wir haben auf dem knappen Sieg Christian Udes bei der OB-Wahl 1993 aufbauen können. Bei der OB-Wahl 1999 haben wir einen triumphalen Erfolg errungen und damit bis zum heutigen Tag die Mehrheitsfähigkeit von Rot-Grün erreicht. Danach war das Schlachtenglück wechselhaft. Es gab überwiegend Erfolge, etwa bei jeder Kommunalwahl, aber auch einige Rückschläge bei Landtags- und Bundestagswahlen.

SZ: Oder bei Europawahlen - 2004 kamen Sie münchenweit auf 18,8 Prozent.

Maget: Europawahlen enden für die SPD meistens schlecht. Daran müssen wir arbeiten. Es darf nicht sein, dass in einer europäischen Metropole wie München die SPD als europäisch orientierte Partei so schlecht abschneidet. Ich werde meiner Partei deshalb empfehlen, bis zur nächsten Wahl im Mai europäische Themen intensiv zu bearbeiten. Kommunale Daseinsvorsorge, Bankenkrise oder die Auswirkungen europäischer Politik auf die Stadt - diese Fragen müssen wir beantworten und die Europa-Wahlen sehr viel ernster nehmen als früher.

SZ: Was sind denn das für Leute, die bei Kommunalwahlen offensichtlich SPD wählen, sonst aber nicht?

Maget: Ich glaube, es handelt sich um aufgeklärte Wähler, die sich von Wahl zu Wahl neu entscheiden. Diese Wähler sagen: Im Münchner Rathaus gibt es nichts Besseres als die SPD, sie nehmen sich bei anderen Wahlen jedoch die Freiheit, kleinere Parteien zu wählen.

SZ: Läuft der SPD nicht ihre Stammklientel davon, die kleinen Leute, Arbeiter, Menschen, die sich das teure München kaum noch leisten können?

Maget: Das stimmt zum Teil und macht mir das meiste Kopfzerbrechen. Als ich anfing, Politik zu machen, waren die Hochburgen der SPD in den Vierteln, wo sozial die größten Probleme bestanden und die einkommensschwächsten Schichten lebten. Dort haben wir über die Jahrzehnte kontinuierlich verloren und dafür gab es Gründe. Etwa die Zuwanderung, gerade in diesen Vierteln. Das hat unsere Wählerschaft sehr verunsichert. Dadurch hat die SPD in den achtziger Jahren die Vormachtstellung in ihrer bis dahin klassischen Wählerklientel eingebüßt. Eine der strategisch entscheidenden Fragen für die Zukunft lautet daher: Wie schafft es die Münchner SPD, die Zustimmung der Bürger zu erhalten, für die wir im wesentlichen Politik machen? Es ist ja eine geradezu absurde Situation: Wir unternehmen große Anstrengungen, etwa in der kommunalen Sozialpolitik, um gerade den schwächeren Bevölkerungsgruppen zu helfen, die bei Wahlen dann aber fernbleiben. Diesen Menschen müssen wir vermitteln, dass wir ihre Anwälte sind. Leider wird das immer wieder überlagert durch bundespolitische Entscheidungen wie Hartz IV oder Rente mit 67.

SZ: Waren das Fehler sozialdemokratischer Bundesregierungen?

Maget: Es waren sozialpolitische Zumutungen, die teilweise erforderlich waren, aber unsere eigene Wählerklientel in besonderer Weise getroffen haben. Die Erfolge sieht man in der Arbeitslosenstatistik, aber man sieht auch die Belastungen in den Stadtvierteln. Deswegen müssen wir alles tun, die Lebenssituation der einfachen Menschen zu verbessern.

SZ: Muss die SPD sich in München auf Dauer auf die Konkurrenz der Linkspartei einstellen?

Maget: Ohne die Linkspartei hätte die SPD mehr Direktmandate erreicht. Wer bei der Landtagswahl die Linke gewählt hat, hat also die CSU gestärkt. Ich rechne nicht damit, dass die Linkspartei so schnell von der Bildfläche verschwinden wird, denn sie greift, manchmal sehr populistisch, Ängste der Menschen auf, die von uns nicht ausreichend ernst genommen werden. Diese Sorgen sind aber da. Deshalb muss unsere Politik, unabhängig von der Linkspartei, erstens auf wirtschaftlichen Erfolg setzen und diesen zweitens mit sozialer Gerechtigkeit verbinden. Beides unter einen Hut zu bringen, war und ist die Stärke der SPD.

SZ: Wird Ihnen nicht angst, wenn Sie 2014 ohne den ausweislich der Wahlergebnisse Besten ihres Personals, Oberbürgermeister Ude, in die Kommunalwahl gehen müssen?

Maget: Angst ist nicht meine Sache. Wir werden freilich hart dafür kämpfen müssen, dass die Stadtpolitik in sozialdemokratischer Verantwortung bleibt. Doch das war immer so. Auch der Sieg von Christian Ude über Peter Gauweiler 1993 war knapp, und erst danach konnte Ude beweisen, wie gut er ist. Darum werden wir auch im Wechsel von Ude zu seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin hart kämpfen müssen.

SZ: Wer soll das denn sein?

Maget: Auf die Frage habe ich gewartet. Die Antwort wird Sie nicht überraschen: Das werden wir zum richtigen Zeitpunkt entscheiden, und wir haben einige Entscheidungsmöglichkeiten, zum Beispiel mit einer sehr guten und immer beliebter werdenden Bürgermeisterin, aber auch anderen.

SZ: Das wäre Frau Strobl. Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Maget: Rechtzeitig vor der Wahl.

SZ: Wie sieht das Anforderungsprofil für einen OB-Kandidaten der SPD aus?

Maget: Auf jeden Fall münchnerisch. Das heißt nicht, dass man hier geboren sein muss, sondern dass man in besonderer Weise das Münchner Lebensgefühl kennt und damit identifiziert wird. Noch wichtiger ist Kompetenz. Es ist eine der anspruchsvollsten politischen Aufgaben, eine Stadtgesellschaft in Zeiten wie diesen zu führen. Das erfordert Sachverstand, soziale Kompetenz, kommunikative Stärke und große Integrationskraft.

SZ: Hätten Sie nicht gerne dieses Amt übernommen? Ude hatte doch andere Lebenspläne, als jetzt noch im Rathaus zu sitzen.

Maget: Christian Ude und ich haben ernsthaft darüber gesprochen. Es ist zweifellos eine reizvolle Aufgabe, Münchner Oberbürgermeister zu sein. Aber ich war froh darüber, dass Christian Ude wieder zur Verfügung stand. München hätte nichts Besseres passieren können.

SZ: Man hört, Sie wollten den Vorsitz der Landtagsfraktion nicht die ganze Legislaturperiode behalten. Bereiten Sie einen Ausstieg aus der Politik vor?

Maget: Nein. Ich bin jetzt für zweieinhalb Jahre gewählt, und ich habe meiner Fraktion klar gemacht, dass damit keine Aussage getroffen ist über eine erneute Spitzenkandidatur 2013. Ich hätte keine Angst davor, wieder einen schweren Wahlkampf zu machen. Aber das ist jetzt nicht das Thema.

SZ: Aber der SPD-Landesvorsitz wird im nächsten Jahr ein Thema sein.

Maget: Nicht für mich. Das ist keine Aufgabe für mich. Da werden wir eine neue, zukunftsfähige Lösung finden.

© SZ vom 11.10.2008/lado/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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