Innenstadt:Bewusstlose vergewaltigt

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Angeklagte sollen im Bankfoyer über Frau hergefallen sein

Von Susi Wimmer

Ein Freund war eigens aus Hamburg gekommen, deshalb zogen Jeremi Kaluza und Stefan Zirngibl mit ihm in der Innenstadt noch spät um die Häuser. Kurz vor Mitternacht gingen sie zur Sparkasse am Sendlinger Tor, weil Zirngibl Geld abheben wollte - da beobachteten seine Freunde durch ein Schaufenster der Bank eine schier unglaubliche Szene: Sie sahen, wie zwei Männer eine offensichtlich bewusstlose Frau im Foyer der Sparkasse vergewaltigten. Dann ging alles ganz fix. Das Trio stürmte in die Bank, Kaluza und Zirngibl brüllten die Täter an und hielten sie bis zum Eintreffen der Polizei fest.

An diesem Freitag stehen die drei Helden jener Nacht vom 19. Dezember 2016 vor der Türe des Gerichtssaals B 275 und warten. Heute wird der Fall am Landgericht München I verhandelt, und Richter Frank Zimmer ist sichtbar gereizt. Ovidiu M., 43, und Marius C., 35, eiern bei ihren Aussagen herum, antworten ausschweifend und nichtssagend. Beide stammen aus Rumänien, sind arbeitslos und leben auf der Straße. Alkohol, so viel ist sicher, können sie sich immer irgendwie beschaffen. Ovidiu M. zählt auf: eine Flasche Wodka am Morgen, die er sich mit einem Bekannten geteilt habe, dann ein paar Bier, Whisky-Cola in der Dose, Cognac und abends wieder Wodka. "Und ich hatte schon länger nichts mehr gegessen", sagt er. Sein Spezl Marius C. bezeichnet sich selbst als "sehr betrunken", er hatte mehr als vier Promille.

In diesem Zustand lernte Marius C. das spätere Opfer Martina A. (Name geändert) an einer Tramhaltestelle am Hauptbahnhof kennen. Er hatte sich gerade "Getränke für die Nacht" gekauft: eine Flasche Wodka, drei Bier und einen Saft. Er habe am Boden nach Zigaretten gesucht, versucht zu schnorren, und dabei lernte er Martina A. kennen, die ebenfalls trank und nach Zigaretten suchte. Sie habe gefroren und erzählt, dass sie immer am Bahnhof in einem Bankfoyer übernachte, aber um 3 Uhr morgens üblicherweise von der Security vertrieben werde. Da habe er ihr vorgeschlagen, mit zum Sendlinger Tor zu kommen, "da sind wir ungestört von Security".

Marius C. sagt auch aus, er habe sie gefragt: "Do you want to sleep with me?" Da habe die Frau gelächelt und sei mit ihm gegangen. Bei seiner polizeilichen Vernehmung, so hält ihm der Richter vor, habe er aber nichts von einer lächelnden Frau und ihrer angeblichen Zustimmung erzählt.

Nachdem sich mehrere Obdachlose in dem Foyer aufhielten, dort tranken und Karten spielten, legte sich Martina A. gegen 21 Uhr neben einen Kontoauszugsdrucker, um zu schlafen. Außer Alkohol soll sie auch Drogen und Medikamente zu sich genommen haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie "bewusstlos und in wehrlosem Zustand" war. Zu vorgerückter Stunde soll Marius C. sie entkleidet und vergewaltigt haben. Ovidiu M. räumt ein, sie währenddessen begrapscht zu haben, sagt aber: "Ich habe keine sexuellen Handlungen durchgeführt." Sein Kumpel erklärt, er könne sich an keine Vergewaltigung erinnern. Er fühle sich zwar schuldig, sagt er, schiebt jedoch die Frage nach: "Wenn ich eine Wohnung hätte und es wäre in der Wohnung passiert und nicht an einem öffentlichen Ort, wäre das auch eine Vergewaltigung?" Das Urteil sollte noch am Freitag verkündet werden, stand bis Redaktionsschluss aber nicht fest.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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