Innenansicht:Weltstadt mit Wasser

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Wasser soll bald an ganz vielen Orten sprudeln, fordern die Grünen - aus öffentlichen Trinkbrunnen. Nun gibt es bereits 55 mit Trinkwasser gespeiste Brunnen in München, es weiß nur niemand davon

Von Dominik Hutter

Der Vegetarier hat es schwer in Paris. Wer nicht flexibel genug ist, Jakobsmuscheln und Schnecken als Gemüse anzuerkennen, tut sich bei der Menüauswahl schwer und verpasst obendrein das Allerbeste. Dafür gibt es aber das vegetarischste, ja veganste aller Getränke in Hülle und Fülle zum Nulltarif: Wasser, für dessen Konsum nicht einmal Pflanzen sterben müssen, ist nicht nur in Lokalen kostenlos, sondern kann auch an mehr als 75 Trinkbrunnen im ganzen Stadtgebiet gezapft werden. Mit Stil übrigens - der Wasserstrahl der berühmten Wallace-Brunnen kommt aus einer mit Delfinen geschmückten Kuppel, die von vier gusseisernen Karyatiden, also Frauenstatuen, getragen wird.

So viel Eleganz wäre in der Schweinsbraten-Metropole München natürlich unangemessen. Durst aber hat man hierzulande auch, und damit ist jetzt ausnahmsweise nicht die Sehnsucht nach dem nächsten Bier gemeint. Nein, klares Wasser soll bald an ganz vielen Orten sprudeln, fordern die des Vegetariertums durchaus verdächtigen Grünen - aus öffentlichen Trinkbrunnen. Die Kollegen von FDP, Piraten und Hut haben auch schon einen Standortvorschlag: Auf dem Rindermarkt, wo einst die Ochsen um die Wette soffen, sollen bald auch Menschen gratis ihren Durst stillen dürfen. Ohne, wie früher die Viecher, ihr rasches Ableben befürchten zu müssen.

Nun gibt es bereits 55 mit Trinkwasser gespeiste Brunnen in München, es weiß nur niemand davon. Baureferentin Rosemarie Hingerl schätzt, dass es mindestens 200 000 Euro pro Jahr kosten würde, die Anlagen offiziell zu H₂O-Bars umzudeklarieren. Und noch viel, viel mehr, wenn die Behörde neue Trinkwasserbrunnen aufstellen, reinigen, warten und reparieren müsste. Hingerl will dem Bauausschuss des Stadtrats deshalb einen kostengünstigen Kompromiss vorschlagen: einen Testbrunnen auf dem Rindermarkt. Eine 1,20 Meter hohe Stele mit Messingarmatur, aus der man M-Wasser zapfen kann. Wenn alles hinhaut, kann man ja sehen, ob irgendwann noch mehr geht.

In der Paris-Liga ist München damit noch nicht unterwegs. Dafür gibt es an der Isar aber neben Schweinsbraten auch Gemüsegerichte. Ohne Schnecken oder Jakobsmuscheln. Einfach so.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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