Innenansicht:Vergesst die Wanzen nicht!

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Grünflächen dürfen auch beim Bau von Wohnungen nicht vergessen werden. Das Umweltreferat will jetzt ein Strategiepapier entwickeln

Von Thomas Anlauf

Sie heißen Geröll-Hüpferling, Geringelter Nimrod oder Gemeiner Grünling: Die Tierchen, die so schillernde Namen tragen, sind für München besonders wertvoll. So sehr, dass Umweltreferentin Stephanie Jacobs am Donnerstag persönlich eine neue Broschüre des Bundes Naturschutz vorstellte - über Wanzen in München. Ausgerechnet Wanzen? Tatsächlich sind die meisten der Insektenarten nützliche und für Biotope wertvolle Tiere. Und es leben 385 der 760 in ganz Bayern bekannten Wanzenarten mitten in München, manche kommen sogar fast ausschließlich hier vor. Das hat seinen Grund: Während in vielen Teilen des Landes intensive Landwirtschaft betrieben wird und die Artenvielfalt deshalb zum Teil drastisch zurückgeht, gibt es in der Millionenstadt München zahlreiche, seltene Tier- und Pflanzenarten - ob an Isar und Würm, dem Englischen Garten und dem Nymphenburger Park oder dem 335 Quadratkilometer großen Grüngürtel der Stadt.

Das soll nach Ansicht von Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs auch künftig so bleiben. Doch die Lebensräume von Insekten, Amphibien, Vögeln und anderen Wildtieren sind durch den Bauboom in München bedroht. Jacobs will deshalb bis Ende kommenden Jahres ein Strategiepapier entwickeln, wie die Artenvielfalt auch künftig gesichert ist. So sollen sämtliche Biotope mitsamt den darin vorkommenden Pflanzen- und Tierarten erfasst werden und Ideen entwickelt werden, wie die Natur auch beim Bau von neuen Wohngebieten berücksichtigt werden kann. Das kann ein Weiher oder ein Bach sein, der in einer Wohnanlage fließt, das können kleine Parks oder sogar Alleen sein.

Denn es geht in einer immer enger werdenden Stadt - und München hat bereits jetzt doppelt so viele Einwohner pro Quadratkilometer wie Hamburg - auch darum, genügend Naturraum zu bewahren oder sogar neuen zu schaffen. Die Menschen in der Stadt brauchen nicht nur Wohnungen, sondern auch Plätze im Freien, an denen sie sich aufhalten können. Wie wichtig solche Freiräume sind, sieht man im Englischen Garten und an der Isar besonders deutlich. Parks und Grünflächen haben zudem eine wichtige Bedeutung für das Stadtklima, als Luftfilter und als natürliche Kühlanlage. Es mag vielleicht seltsam klingen: Aber die Lebensqualität von München hängt auch vom Wohl oder Wehe der Natur in der Stadt ab. Also auch vom Überleben des Geröll-Hüpferlings.

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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