Innenansicht:Sieg nach Punkten

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Die neue Umfrage über Rathauspolitiker wirft vor allem eine Frage auf: Ist es besser bekannt oder beliebt zu sein?

Von Frank Müller

Im Münchner Rathaus gab es einmal den CSU-Fraktionschef Gerhard Bletschacher, der den Medien gerne mit auf den Weg gab: "Nennt uns Diebe, nennt uns Henker. Aber nennt uns." Bletschacher wurde dann in einen millionenschweren Skandal verwickelt, in dem ihn manche eine Art Dieb nannten, aber das tut hier nichts zur Sache. Seine Worte nämlich brachten die Rathaus-Dialektik wunderbar auf den Punkt, ob es besser ist, beliebt zu sein. Oder bekannt.

An diesem Mittwoch gab es also wieder neue Umfragezahlen für die Rathauspolitiker. Das Fazit ist, dass nicht jeder Münchner Politiker in der glücklichen Lage ist, Dieter Reiter zu sein. Der ist bekannt und beliebt, was für ihn schön ist. Allerdings: Christian Ude war auch beides, und wer redet heute noch von ihm?

Nein, uns interessieren letztlich mehr die zerrissenen Charaktere. Die schwierigen. Die, denen nicht alles immer gelingt. Das bringt uns schnell zu SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, der eigentlich Reiters Job gewollt hatte. Jetzt finden ihn die Münchner etwa zur Hälfte sympathisch und zur Hälfte nicht. Damit könnte man leben, nicht aber mit dem desaströsen Bekanntheitswert. Gerade mal elf Prozent wissen, wer Reissl ist. Es ist recht erheiternd, sich das Gesicht des bekennenden Grünen-Fressers in dem Moment vorzustellen, da er in der Statistik nach oben guckt und dort den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Florian Roth, vier Prozentpunkte besser platziert findet. Ein Grüner! Vor der SPD, der das Rathaus bekanntlich gefühlt auch dann gehört, wenn sie in einer großen Koalition gerade nur der Juniorpartner ist. So wie jetzt. Man könnte hinzufügen, dass selbst der FDP-Chef bekannter ist als Reissl, aber das unterbleibt jetzt aus Gründen der Nächstenliebe.

Ob aus Reissl noch ein Hans Podiuk wird? Der alte Kämpfer sitzt der CSU-Fraktion vor, und er weiß, wie man's macht. Podiuk ist - nach dem Bürgermeister-Trio - der Bekannteste im Rathaus. Und gleichzeitig furchteinflößend unbeliebt. Mehr kann man, will man ernst genommen werden als Fraktionschef, nicht erreichen.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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