Innenansicht:Neue Namen braucht die Stadt

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Die Grünen wollen die Ausländerbehörde umbenennen - dabei allein sollte man es nicht bewenden lassen

Von Heiner Effern

Läuft bei dir. Verstehen Sie jetzt nicht? Ist ein Kompliment, immerhin haben Sie sich vorgenommen, diese Kolumne zu lesen. Übersetzt heißt das: Cool. Krass. Sie haben's drauf. So sprechen Ihre Kinder heutzutage. Die haben es in rasend schnellen Zeiten rhetorisch nicht leicht: Ständig müssen sie neue Wörter erfinden, weil die Sprache der Alten nicht mehr in den Alltag passt. Oder kennen Sie außer dem Vornamen Ihres Sprösslings eine knackige Alternative zu Smombie?

In der Politik übernehmen die Grünen gerne die Rolle der Ewig-Jugendlichen. Kein Wunder also, dass sie als erste bemerkten, wie anachronistisch (für unsere jungen Leser: nicht in eine bestimmte Zeit, Epoche passend) die Bezeichnung "Ausländerbehörde" ist. München sei doch längst eine Einwanderungsstadt, erklären die Grünen. Also schlagen sie stattdessen vor: "Einwanderungsbehörde." Die honorige Intention wird parteiübergreifend anerkannt. Aber selbst ein Gremium, das sich Kreisverwaltungsausschuss nennt, kann im neuen Namen maximal einen sprachlichen Fortschritt von der Mittleren in die Jüngere Altsteinzeit erkennen. Der Antrag wurde mangels besserer Alternativen vertagt. Nun rauchen die Köpfe in der Politik. Mancher könnte sich gar grundsätzliche Fragen stellen.

Etwa: Warum tagen kluge Stadträte unter der Bezeichnung Ausschuss? Warum müssen städtische Beamte in Behörden arbeiten, die nach dem verhassten freien Vortrag aus der Schulzeit benannt sind? Und wenn die Ämter schon Referate heißen müssen - warum gibt es in der Stadt dann eines, das einen Kreis verwaltet? Dessen Chef Wilfried Blume-Beyerle hat am Dienstag öffentlich gestanden, dass er den Kreis liebend gerne loswerden würde. Wenn er schon auf das Kürzel KVR festgelegt sei, dann würde er gerne ein Kreativ-Verwaltungs-Referat leiten. Man stelle sich vor: Selbst entworfene Bescheide. Gemeinsames Singen in den Warteschlangen. Künstler beheben Personalengpässe. Computerprogramme, die funktionieren. lol. Was das heißt? Fragen Sie Ihre Kinder.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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