Innenansicht:Guter Streik, böser Streik

Wenn Lokführer in den Ausstand treten, schlägt ihnen Kritik entgegen. Erzieherinnen können auf Verständnis hoffen. Dabei haben sie in den vergangenen Jahren Verbesserungen für sich durchsetzen können

Von Katja Riedel

Manchmal ist das öffentliche Urteil seltsam einmütig: zum Beispiel wenn mal wieder die Piloten streiken ("gierig"). Ähnlich verständnislos schütteln viele den Kopf, wenn die gut bezahlten Mitarbeiter des Europäischen Patentamtes zu Tausenden durch München ziehen, auch wenn sie betonen, nicht für Geld, sondern für Grundrechte auf die Straße zu gehen. Ja mei, Luxusstreiks halt.

In der kommenden Woche werden gleich zwei Berufsgruppen in den Ausstand treten, Erzieher und Lokführer. Und die Reaktion auf ihre Streiks ist höchst unterschiedlich. Es scheint einerseits Konsens, Verständnis für die karge Entlohnung von Erzieherinnen in den Diensten der Kommunen zu zeigen, ja zu fordern, diese sollten über kurz oder lang so entlohnt werden wie Grundschullehrer. Für manchen scheint es jedoch ebenso angebracht, streikenden Lokführern mangelnden Dienst am Kunden zu unterstellen. So findet etwa die "Aktion Münchner Fahrgäste", das "Gesamtsystem Eisenbahn" habe schon genug gelitten unter Tarifstreitereien: "Wir fordern alle Gewerkschaften auf, auf Streikmaßnahmen zu verzichten."

Es stimmt, dass weder Lokführer noch Erzieherinnen Einkommensmillionäre sind. Es stimmt aber auch, dass die Erzieherinnen - gerade die in städtischen Kitas in München - zuletzt schon viel Aufmerksamkeit erfahren haben, auch durch die Politik. Zum Beispiel durch 200 Euro Arbeitsmarktzulage, aber auch durch Hilfe bei der Wohnungssuche und schnellere Beförderungswege. Sie haben davon profitiert, dass es gesellschaftlicher Konsens ist, mehr Betreuung für Kleinkinder zu schaffen. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Sehr wohl aber gegen eine Wertung: Es gibt keine guten und keine bösen Streiks. Denn das Streikrecht gilt für alle. Es gehört zur Demokratie.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: