Innenansicht:Der Fluss, der ein Bauwerk ist

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Wer sich an der Isar aufhält und denkt, an der Natur zu sein, der täuscht sich. Das macht die Sache mit dem Baden so schwierig

Von Thomas Anlauf

Es war ein idyllisches Bild, als vor zwei Sommern der damalige Münchner Umweltreferent Joachim Lorenz am Isarstrand saß und über das Bade- und Bootsverbot im Fluss sinnierte. Dem Grünen-Politiker war es schon lange ein Herzenswunsch, dass die Münchner endlich wieder in der Isar planschen oder vor der imposanten Innenstadtkulisse mit dem Kanu paddeln dürfen. Doch seit 1976 gilt dort eine Verordnung, die genau das untersagt. Denn der Fluss ist, obwohl er bekanntlich aufwendig renaturiert wurde, gar keine Natur, wo jeder selbst auf sich aufpassen muss, sondern nichts anderes als ein riesiges Flussbauwerk.

So ein Bauwerk will natürlich versichert und womöglich von Haus- beziehungsweise in diesem Fall Bademeistern gesichert sein. Was irgendwie reichlich wirklichkeitsfremd klingt, hat tatsächlich jahrelang Leute in der Stadtverwaltung und einer großen Versicherung beschäftigt. Für mehr als 100 000 Euro ließ die Stadt ein Rechtsgutachten erstellen, um überhaupt mit der Versicherung vernünftig ins Gespräch zu kommen. Jetzt, zwei Jahre später, ist es nun fast so weit, dass die Münchner nach 40 Verbotsjahren wieder in der Isar baden dürfen. Das ist schön. Denn die meisten Münchner wissen überhaupt nicht, dass das Baden in der Isar an den meisten Stellen tabu ist.

Deshalb blieb auch in der Vergangenheit der Ruf "Legalize it!" von einigen Badehosendemonstranten weithin unbeachtet. Badeaktivisten, die sich für bares Geld Ausnahmegenehmigungen einholten, um sich ein paar Minuten die Isar hinuntertreiben zu lassen, wurden von am Fluss flanierenden Münchnern mit einer Gleichgültigkeit betrachtet, als würden dort ein paar dicke Enten schwimmen. Das soll sich ändern. Stephanie Jacobs, Amtsnachfolgerin von Umweltreferent Lorenz, will die Ufer mit Hinweisschildern zupflastern lassen, auf dass künftig jeder weiß, was er an der Isar zu tun und zu lassen hat. Als Lorenz übrigens damals am Isarstrand sinnierte, paddelten von ihm unbeachtet friedlich zwei Kanuten vorüber.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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