Humus und Humor:Von Abraham bis Ziz

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Der 16. Europäische Tag der jüdischen Kultur am Jakobsplatz

Von Philipp Crone

"Kennen Sie den Witz mit Hitler und den beiden Juden", fragt Mark Podwal. Der jüdische Arzt und Karikaturist aus New York steht am Sonntagmittag im Foyer der Israelitischen Kultusgemeinde vor den Bildern seiner neuen Ausstellung. "Zwei Juden beschließen, Hitler umzubringen. Sie gehen los und warten dort, wo er vorbeikommen soll. Sie warten und warten. Und nach einer Stunde sagt der eine Jude zum anderen: Mensch, hoffentlich ist ihm nichts passiert!" Podwal grinst. "Der jüdische Humor nimmt oft etwas Trauriges und macht es lustig." Er sei ein Teil der Kultur, sagt der 70-Jährige, der seit 40 Jahren Karikaturen für die New York Times zeichnet. Und darum geht es an diesem 16. Europäischen Tag der jüdischen Kultur, der am Sonntag mit diversen Veranstaltungen auch in München am St.-Jakobs-Platz begangen wird. "Wir wollen die Bandbreite der jüdischen Kultur zeigen", sagt Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde. Den Humor, die Geschichte oder auch die Küche.

Podwal deutet auf eine Karikatur seiner Ausstellung "Jüdisches Bestiarium", auf der eine Feder zu sehen ist. Die ist auf eine Stadt gefallen und hat sie zerdrückt. "Der Ziz ist in der jüdischen Mythologie ein riesiger Vogel, von dem es heißt: Ein zerbrochenes Ziz-Ei hat einmal 60 Städte überschwemmt. Um die Größe greifbar zu machen, habe ich seine Feder gewählt." Das Leichte, das ganz schwer wird. Leicht und schwer, das liegt oft nah beieinander, wenn man sich mit der jüdischen Kultur beschäftigt, nicht nur beim Humor.

An der Synagoge am St.-Jakobs-Platz startete die Stadtführung "Auf den Spuren jüdischen Lebens". (Foto: Florian Peljak)

Chaim Frank steht um 11.15 Uhr am Rand des Marienhofes und deutet auf die Wiese. "Hier stand die erste Synagoge, bei den letzten Bauarbeiten vor zwei Jahren hat man wieder Überreste gefunden." Sie sei später angezündet worden. Frank führt an diesem Tag Gruppen durch die Stadt, "Auf den Spuren jüdischen Lebens" ist der Titel. Das jüdische Leben reicht in München zurück bis zum Jahr 1229, als ein Abraham aus München erstmals schriftlich erwähnt wurde. "1285 hatte die Gemeinde dann schon 150 Mitglieder", sagt Frank.

Im Jahr 1440 wurden die Juden jedoch von Herzog Albrecht III aus München und später aus ganz Bayern vertrieben. "Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war es einigen Juden erlaubt, sich wieder in München niederzulassen." Und im Jahr 1815 gründete sich die Israelitische Kultusgemeinde, ein Friedhof wurde an der Thalkirchner Straße angelegt, eine Synagoge an der Westenrieder Straße gebaut.

Unklar sei bis heute jedoch, wo der allererste jüdische Friedhof der Stadt lag, "vermutlich in der Nähe vom Stiglmaierplatz", sagt Frank, Leiter des Dokumentationsarchivs für jüdische Kultur und Geschichte. An einer anderen Stelle erklärt der Mann mit dem dunklen Krausehaar das Schicksal des Kaufhauses Uhlfelder. Es stand dort, wo heute das Stadtmuseum beheimatet ist. "Das war eine Attraktion 1931, das erste Kaufhaus mit Rolltreppen", sagt Frank und lacht. Nach dem Krieg habe die Familie 30 Prozesse führen müssen, um von ihrem enteigneten Besitz zumindest einen Teil zurückzubekommen. Schwer und Leicht, eng zusammen.

Seine Karikaturen zeigt der jüdische Arzt und Karikaturist Mark Podwal aus New York in der Ausstellung "Jüdisches Bestiarium". (Foto: Florian Peljak)

Eine Frau, die bei der Führung mitgeht, sagt: "Wunderbar, man kann bei einem Spaziergang etwas über die eigene Stadt erfahren." Und später noch auf dem Flohmarkt stöbern, die Synagoge oder die Karikaturen von Podwal ansehen oder das Konzert einer jüdischen Pianistin und eines muslimischen Percussionisten anhören. Und am Ende gibt es dann vielleicht noch eine Stärkung im Restaurant Einstein. Humus zum Beispiel oder "Gehackte Leber & gehacktes Ei" - ein Hühnerei, keines vom Ziz.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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