Historie:Könige im Sarg, Obdachlose im Speisesaal

Lesezeit: 2 min

Ludwig I. legte 1835 den Grundstein für die Benediktiner-Abtei in der Maxvorstadt. Heute bekommen dort Menschen, die auf der Straße leben, Essen, Kleidung und Beratung

Von Wolfgang Görl, München

Viele der Menschen, welche durch die Pforte der Abtei St. Bonifaz in der Karlstraße gehen, kommen nicht aus geistlichen oder kulturgeschichtlichen Gründen. Sie kommen, weil sie Hunger haben, weil sie durstig sind oder durchgefroren, weil sie eine warme Dusche brauchen oder ärztlichen Rat - ja, und vielleicht auch seelischen Beistand. Bis zu 250 Menschen nehmen täglich die Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz in Anspruch, für die zwölf Hauptamtliche und 20 Ehrenamtliche unter der Leitung von Frater Prior Emmanuel Rotter arbeiten. Im 2001 eingeweihten Haneberghaus, benannt nach Daniel Bonifatius Haneberg, der von 1853 bis 1872 der Abtei vorstand, erhalten die Obdachlosen nicht nur kostenlos Kaffee oder eine warme Suppe, es gibt auch eine Arztpraxis, eine Kleiderkammer und soziale Beratung. "Unsere Arbeit" schreibt Frater Emmanuel im Jahresbericht der Obdachlosenhilfe, wird "immer mühsamer in diesen Zeiten des Wandels und der Veränderung unserer Gesellschaft und der Welt".

In der Kleiderkammer der Obdachlosenhilfe der Abtei gibt es Textilien für Bedürftige. (Foto: Robert Haas)

Die Benediktinerabtei St. Bonifaz mit ihrer vom Architekten Georg Friedrich Ziebland im romanischen Stil entworfenen Basilika verdankt ihre Existenz dem bayerischen König Ludwig I. Der Monarch, der 1825 auf den Thron gekommen war, hatte sich zum Ziel gesetzt, das infolge der Säkularisation zerrüttete Verhältnis zwischen Staat und Kirche wieder zu verbessern. Eines der dafür angestoßenen Projekte war die Klostergründung in der Maxvorstadt. "Wir König Ludwig von Bayern etc. haben beschlossen, eingedenk des großen Nutzens, welchen der Benediktiner-Orden seit so vielen Jahrhunderten der Kirche, dem Staate und durch seine Forschungen der Wissenschaft gebracht hat, in der Haupt- und Residenzstadt eine Abtei St. Bonifaz nebst Pfarrei zu gründen." So stand es im offiziellen Text, als Ludwig I. am 12. Oktober 1835, dem Tag seiner Silberhochzeit, den Grundstein legte. Es dauerte 15 Jahre, bis das Werk vollendet war, und als Erzbischof Karl August Graf von Reisach im November 1850 das neue Gotteshaus einweihte, war Ludwig schon nicht mehr an der Macht. Nach der Lola-Montez-Affäre hatte er sich im März 1848 gezwungen gesehen, zugunsten seines Sohnes Maximilian abzudanken.

Im Stil frühchristlicher Kirchen hat der Architekt Georg Friedrich Ziebland die Basilika St. Bonifaz in der Maxvorstadt errichtet, deren Schönheit von vielen Zeitgenossen enthusiastisch gepriesen wurde. (Foto: SZ-Photo)

Segensreich war es, dass Ludwig den nach München gerufenen Benediktinern noch das Kloster Andechs als Wirtschaftsgut mitgegeben hatte. Die dortige Brauerei trägt gleichermaßen zur Popularität und zum wirtschaftlichen Wohlergehen der Abtei bei. Doch die Basilika respektive die strenge Haltung des Klerus brachte Ludwig auch erheblichen Ärger ein. Der König hatte das Gotteshaus zu seiner Grablege und zur letzten Ruhestätte seiner Gattin, Königin Therese, bestimmt. Diese allerdings war Protestantin, und damit begann das Schlamassel. Als Therese 1854 starb, sperrte sich die katholische Geistlichkeit gegen deren Bestattung in der Basilika. Ludwig tobte und wetterte gegen "die wortbrüchigen, undankbaren Pfaffen". Die Angelegenheit ging bis nach Rom, was zu der raffinierten Lösung führte, Therese in einer Gruft unterhalb der Klosterkirche zu bestatten. Ludwig war damit erst einverstanden, als man ihm mitteilte, dass er ein Stockwerk höher, in der Kirche, liegen würde, direkt über seiner Gemahlin. "Das ist grade die paßliche Lage für Mann und Frau", soll er gesagt haben. Im Jahr 2002 hat man dem unwürdigen Zustand ein Ende gemacht. Therese ruht nun, ebenso wie ihr Mann, in einem Sarkophag im Inneren des Gotteshauses.

Bei den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg wurde die Basilika stark beschädigt. Nur die Außenmauern und 22 Säulen des südlichen Gebäudeteils blieben stehen. Während der Südteil mit sparsamen Mitteln nach dem Krieg restauriert wurde, errichtete man anstelle des zerstörten Nordteils ein Seelsorge- und Bildungszentrum in Sichtbetonbauweise. Der prachtvolle Eindruck, den das ursprünglich 76 Meter lange Kirchenschiff auf die Besucher einst machte, lässt sich beim Gang durch den historischen Teil immerhin ahnen. Unübersehbar aber sind die Narben, die der Krieg hinterlassen hat. Der ludovizianische Glanz ist verblasst.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: