Hauptquartier:Zonen statt Zellen

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Microsoft feiert Richtfest für die neue Firmenzentrale - und schwärmt vom modernsten Bürokonzept Deutschlands

Von Katja Riedel, München

In dem noch fensterlosen Betonriegel in der Parkstadt Schwabing ist es laut an diesem Vormittag. Es wird gehämmert, es wird gebohrt, irgendwo kreischt eine Säge. Schade nur, dass so niemand der vielen Ehrengäste ein Wort verstehen kann, als der Zimmermann zu Ehren jenes Hauses spricht, für das an diesem Tag Richtfest gefeiert wird.

Es ist ein besonderes Haus: Die neue Deutschlandzentrale von Microsoft. Der Technologiekonzern will hier, auf 26 000 Quadratmetern, nicht weniger als das angeblich modernste Bürokonzept Deutschlands verwirklichen. Eines, das große Räume hat, aber keine festen Trennwände. Und eines ohne feste Arbeitsplätze. Eine Art Begegnungszentrum für mobile Arbeiter, kein festes Zuhause für tägliche Bürokräfte. Das ist die Idee hinter dem offenen Konzept: Die Mitarbeiter sollen nicht mehr täglich ins Büro kommen, sondern arbeiten, wo sie es möchten: im eigenen Büro, im Café, im Zug oder auf der Gartenterrasse. Deshalb hat Microsoft schon bei der Grundsteinlegung für die neue Zentrale eine Betriebsvereinbarung mit den Mitarbeitern geschlossen.

Vorangegangen war jedoch keine große Einigkeit, sondern ein Streit mit den Betriebsräten. Nachdem der Konzern verkündet hatte, seine Zentrale von Unterschleißheim nach München zu verlegen und sich von mehreren Standorten in Deutschland zu trennen, gab es einen Aufschrei. Denn Microsoft begründete die Standortschließungen in Böblingen, Bad Homburg und Hamburg mit dem Siegeszug des Homeoffice. Am Ende ruderte die Geschäftsführung zurück: Die Standorte blieben. Die geplante Schließung habe "viele Diskussionen und einige Unruhe ausgelöst, die wir bedauern", hieß es damals in einem Brief der Finanzchefin an die Mitarbeiter.

So soll das neue Hauptquartier von Microsoft aussehen. Simulationen: GSP Architekten (Foto: N/A)

Auch in Unterschleißheim, der bisherigen Zentrale, gab es eine Meinungsumfrage zum Homeoffice. Und damals zeigte eine große Mehrheit Sympathien für das flexible Arbeiten. Von Streitereien will man bei Microsoft nun, ein Jahr später, nichts mehr hören. "Orts- und zeitunabhängiges Arbeiten ist bei Microsoft seit Jahren gelebte Praxis", sagt eine Sprecherin. "Mit der Betriebsvereinbarung aus dem letzten Jahr wurde dies nur verbindlich geregelt." Etwa 90 Prozent der Mitarbeiter hätten bereits vor der Betriebsvereinbarung davon Gebrauch gemacht.

Deutschland-Chef Alex Stüger führt an diesem Mittwoch höchstpersönlich durch die neuen Räume, um die künftige Nutzung zu erklären. Unten grauer Beton, von oben hängen Kabel von der Decke, es braucht einiges an Phantasie, um sich die unterschiedlichen Arbeitszonen vorstellen zu können. Beim Entwurf dieser Zonen hat sich Microsoft wissenschaftliche Hilfe geholt. Von Udo-Ernst Haner, der das Kompetenz-Team zur Arbeitsinnovation am Fraunhofer Institut für Industrielles Engineering in Stuttgart leitet. "Warum kommen die Menschen denn überhaupt ins Büro, wenn sie von überall aus arbeiten können?", fragt Haner. "Um Kollegen zu treffen", beantwortet er diese Frage gleich selbst. Deshalb gebe es keine "Zellenbüros" mehr, sagt er, sondern Zonen, in denen bestimmte Tätigkeiten unterstützt werden. In einer dieser Zonen stehen Sessel mit mannshohen Lehnen, es sind Rückzugsräume, in denen man seine Gedanken schweifen lassen soll. Zerstreuen dürfen sich die Mitarbeiter auch im geplanten Fitnessstudio, auf einer der elf begrünten Dachterrassen oder im Saunabereich. Doch in der neuen Unternehmenszentrale wird es auch klassische Arbeitszonen geben. Mit klassischen Schreibtischen, Stühlen - so jedenfalls ist es den Bildern auf Pappwänden zu entnehmen, die eigens aufgestellt worden sind.

Im Inneren gibt es statt klassischer Büros offene Zonen für bestimmte Tätigkeiten. Simulationen: GSP Architekten (Foto: N/A)

Von der Gestaltung und Ausstattung schwärmt auch Helmut Röschinger. Er ist der Bauherr, der das Bürohaus nach den Wünschen seines Mieters errichten lässt. Es sei ein Gebäude mit "höchster Aufenthaltsqualität", das da in der Parkstadt Schwabing entstehe, sagt er. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter ist zum Richtfest gekommen - und angetan von dem Konzept, ohne festen Arbeitsplatz zu arbeiten. In der öffentlichen Verwaltung sei es zwar schon schwer, jemanden von einem Büroumzug zu überzeugen. "Wir möchten uns dieses Konzept, wenn es fertig ist, aber gern anschauen", sagt er.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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