Hauptquartier für 1200 Siemensianer:Ein Konzern öffnet sich

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Schiefe Wände, transparente Rundungen und nüchterne Büros: Die neue Siemens-Zentrale ist fertig

Von Alfred Dürr (text) und Florian Peljak (Fotos)

Fast auf den Tag sechs Jahre ist es her, dass Siemens offiziell verkündet hat: Die alte Zentrale mitten im Zentrum wird abgerissen, ein neues Hauptquartier soll entstehen. Jetzt ist der mächtige Komplex zwischen Wittelsbacherplatz und Oskar-von-Miller-Ring fertig. Am 24. Juni feiern Gäste aus Politik und Gesellschaft im Konferenzzentrum die Eröffnung.

Für das Unternehmen selbst, aber auch für die ganze Stadt entstand im Viertel entlang der Jäger-, Finken- und Kardinal-Döpfner-Straße ein transparent und luftig wirkendes Ensemble, das Zeichen setzen will für das Bauen im 21. Jahrhundert - und für das Image von Siemens. Denn die alte Zentrale wirkte genauso verschachtelt und verschlossen wie der Konzern selbst, der sich vor zehn Jahren mit Schmiergeldvorwürfen und mit schwarzen Kassen befassen musste.

Dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher und seinem Nachfolger Joe Kaeser schwebte ein Bürogebäude vor, das mehr bietet als moderne Räume für 1200 Mitarbeiter. Es ging auch um das Erscheinungsbild des Weltkonzerns, das geprägt sein sollte von Offenheit, modernster Technologie und einem hohen Grad an Umweltbewusstsein. Außerdem sollten Tradition und Zukunft eine Verbindung eingehen: Das historische Palais Ludwig Ferdinand und der Nachbarbau am Wittelsbacherplatz wurden saniert und in den vom dänischen Büro Henning Larsen Architects gestalteten Neubau integriert.

Die Offenheit drückt sich am besten in der Erdgeschoss-Zone aus. Die "Siemens-Passage" mit ihren Innenhöfen, einem Café und einem Restaurant ist weitestgehend frei zugänglich und schafft so eine neue Verbindung zwischen der Innenstadt und dem Kunstareal in der Maxvorstadt. Der Hauptzugang befindet sich künftig am Altstadtring mit eigens angelegter Vorfahrt, die auch die Adresse für die Konzernzentrale bildet: Werner-von-Siemens-Straße 1.

Dort begrüßt die zehn Meter hohe Skulptur des Architekten Daniel Libeskind Besucher und Mitarbeiter. Vier flügelartige Aluminiumplatten verschränken sich auf dynamische Weise. Das Werk, das auf der Expo in Mailand zu sehen war, gibt es in vierfacher Ausfertigung. Siemens will die Objekte an verschiedenen Unternehmensstandorten aufstellen. Über LEDs können Lichteffekte auf der Oberfläche der Skulptur erzeugt werden. Das Signet für das Unternehmen kam allerdings in der Stadtgestaltungskommission nicht so gut an. Es fehle die kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, mit dem Neubau oder vielleicht sogar mit Siemens selbst, hieß es in der Debatte.

Was dem neuen Hauptquartier neben dem Libeskind-Werk eine besondere Note verleiht, ist die um fünf Grad geneigte Fassade. "Das bringt mehr Licht in die Büros und wir sparen Strom", erklärt der General Manager für die Konzernzentrale, Thomas Braun.

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Nachhaltigkeit durch das Besichtigungsprogramm, zu dem der Konzern am Dienstag geladen hatte. In den Innenräumen mit den hochgedämmten Dreifachverglasungen an den leicht geneigten Fassaden ist es licht und hell. In Decken und Böden steckt ein Höchstmaß an Technik. Bei den Baumaterialien kamen laut Siemens Rohstoffe zum Einsatz, bei deren Herstellung, Transport und Entsorgung möglichst wenig Energie verbraucht wird.

Zahlreiche Sensoren steuern das gesamte Bauwerk energietechnisch. Das Regenwasser fängt man auf dem Dach auf und verwendet es unter anderem für die Toilettenspülungen und die Bewässerung der Außenanlagen. Die Photovoltaik-Anlage erzeugt fast ein Drittel des benötigten Stroms. Auf diese Weise verbraucht man im neuen Gebäude 90 Prozent weniger Strom und 75 Prozent weniger Wasser als in den alten Büros; die CO₂-Belastung im Vergleich zum Vorgängerbau sinkt um nahezu 90 Prozent.

In enger Abstimmung mit Henning Larsen Architects war das Münchner Büro Landau und Kindelbacher für die innenarchitektonische Gestaltung ausgewählter Bereiche des neuen Hauptquartiers verantwortlich. Klassisch elegant und eher vornehm zurückhaltend zeigen sich der neu geschaffene Eingangsbereich im Palais, der zum Beispiel für Empfänge genutzt werden kann, oder die großzügigen Konferenz- und Veranstaltungszonen, die es in der alten Zentrale in dieser Form nicht gab. Die Büros bieten Komfort sowie viele Blickmöglichkeiten nach außen und nach innen, sie wirken jedoch eher an strenger Funktionalität orientiert.

Drei Geschosse in die Tiefe, bis zu sieben Stockwerke nach oben - der Bau der Zentrale mitten in der Stadt war aufwendig und er verschlang einen "niedrigen dreistelligen Millionenbetrag", mehr verrät Siemens nicht. Jedenfalls habe man den Kosten- und Zeitrahmen eingehalten, heißt es nicht ohne Stolz bei den Verantwortlichen. Es gab eine Nachbarbeschwerde, dass der Bau zu hoch geworden sei. Das aber ist kein Thema bei Siemens, alles habe seine baurechtliche Ordnung. Im Palais war im Zug von Bodenverlegearbeiten ein Brand ausgebrochen; die Rauchschäden bekomme man in den Griff. Das Mammutprojekt steht nun, der Einzug kann beginnen.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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