Haunersches Kinderspital:Aus der Mücke einen Notfall machen

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Kinder und Familien sind willkommen, aber nur bei Notfällen: Christoph Bidlingmaier, Chef der pädiatrischen Notaufnahme am Haunerschen Kinderspital. (Foto: Robert Haas)

Die schlechte Versorgung der Stadt mit Kinderärzten treibt viele auch bei kleinen Problemen gleich in die Klinik

Interview von Vera Schroeder

Vor allem im Münchner Norden wird die Versorgung mit Kinderärzten immer problematischer: In Feldmoching-Hasenbergl kommen, wie berichtet, nur noch zwei Ärzte auf mehr als 10 000 Kinder. Welche Auswirkungen hat das auf die Kinderkliniken in der Stadt? Ein Gespräch mit Dr. Christoph Bidlingmaier, Leiter der pädiatrischen Notaufnahme am Haunerschen Kinderspital.

SZ: Herr Bidlingmaier, es ist gar nicht so leicht, in München einen Kinderarzt zu finden. Bekommen Sie davon in der Kinderklinik etwas mit?

Christoph Bidlingmaier: Ja, das hören wir immer wieder von Patienten. Und manche sagen auch offen, dass sie zu uns gekommen sind, weil es beim Kinderarzt so voll war. Bei uns ist es nur auch fast immer voll, das merken die Eltern dann relativ schnell. Beim nächsten Mal gehen sie doch wieder zum Kinderarzt.

Wie reagieren Sie, wenn Eltern mit verschnupften Kindern zu Ihnen in die Notaufnahme kommen?

Grundsätzlich wünschen wir uns, dass unsere Patienten immer erst zu einem niedergelassenen Arzt gehen. Außer in einer akuten Notfallsituation natürlich.

Und warum halten sich nicht alle daran?

Viele unserer Patienten kommen ja aus dem Ausland und die kennen das System mit niedergelassenen Kinderärzten gar nicht. In anderen Ländern, auch vielen EU-Ländern, geht man eben oft und auch mit kleineren Dingen sofort ins Krankenhaus. Manche kommen, um ihre Kinder impfen zu lassen. Das machen wir einfach nicht.

Trotzdem gibt es auch Eltern, die genau wissen, dass sie eine Warze eigentlich erst von einem niedergelassenen Kinderarzt anschauen lassen müssten. Und dann kommen sie zu Ihnen. Ärgert Sie das?

Nein, ärgern tut uns das nicht. Nur wenn eine Familie immer nur zu uns kommt, dann wird es einfach schwierig. Ein Kinderarzt in der Praxis hat einen viel besseren Blick auf die ganze Familie und kennt den Verlauf. Bei uns sind es ja immer unterschiedliche Dienstärzte. Grundsätzlich ist es aber natürlich okay, hierher zu kommen, wenn jemand Angst um sein Kind hat. In Maßen brauchen wir hier im Haus ja auch die einfachen Fälle, weil wir ein Ausbildungshaus sind und unsere jungen Ärzte wissen müssen, was man mit einem Insektenstich macht.

Die Leute kommen mit Insektenstichen ins Krankenhaus?

Ja, an einem der letzten Samstage haben wir uns hier 25 Mückenstiche angeguckt.

Ist das nicht schlecht für echte Notfälle?

Da gibt es schon ein System, das das verhindert. Die Patienten werden alle im Warteraum von einer Schwester nach Dringlichkeit vorsortiert. Es gibt ein Farbsystem mit Abstufungen von Blau bis Rot. Rot kommt sofort dran, Blau muss, wenn es voll ist, auch mal vier Stunden warten. Manche Patienten gehen dann auch wieder nach Hause, sie wurden ja immerhin einmal kurz gesehen und sind dann oft beruhigt.

Die Sache sortiert sich also von alleine?

Na ja, die Wartezeiten generell sind schon oft sehr lang. Manche Patienten sind deswegen auch unzufrieden, aber wir bemühen uns, die schweren Fälle herauszufischen. Und im Dienst versorgen wir ja das Krankenhaus mit. Viel Zeit geht auch mit der Bettensuche verloren, da ist die Lage in München oft schwierig.

Haben Sie in der Ferienzeit besonders viel zu tun?

Kindermedizin ist ein Saisongeschäft, die stressigen Zeiten sind eher der Winter wegen der ganzen Infekte. Herbst- und Weihnachtsferien zum Beispiel, da ist es hier am vollsten. Und den Mittwochnachmittag, an dem viele Kinderarztpraxen traditionell zu haben, den merken wir schon auch.

© SZ vom 24.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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