Gynäkologe droht Haftstrafe:Mit veralteten Methoden operiert

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Ein Frauenarzt steht wegen gravierender Kunstfehler vor dem Richter: Er soll bei Bauchspiegelungen die Eierstöcke von fünf Patientinnen so massiv geschädigt haben, dass diese unfruchtbar wurden.

Christian Rost

Die Staatsanwaltschaft wirft einem Frauenarzt vor, bei Bauchspiegelungen die Eierstöcke von fünf Patientinnen so massiv geschädigt zu haben, dass sie unfruchtbar wurden und frühzeitig in die Wechseljahre kamen.

Vier der Betroffenen hatten sich wegen eines unerfüllten Kinderwunsches von dem Gynäkologen behandeln lassen. Dem 70-Jährigen, der womöglich mit veralteten Methoden operierte, droht wegen fahrlässiger Körperverletzung eine Haftstrafe.

Zum Prozessauftakt stritt der Mann jegliche Verantwortung ab. Er habe 35 Jahre lang Bauchspiegelungen vorgenommen. Nie sei es zu solchen Schädigungen gekommen. Bei den betroffenen Frauen im Alter von 24 bis 36 Jahren habe es wohl medizinische "Vorgeschichten" gegeben, mutmaßte er, anders könne er sich den Funktionsverlust der Eierstöcke nicht erklären. Er verwies darauf, dass eine Betroffene später noch schwanger geworden sei. Die Frau ließ sich in Bulgarien die befruchtete Eizelle einer anderen Frau einsetzen und bekam Zwillinge.

Der Gynäkologe hatte bei den Bauchspiegelungen in den Jahren 2006 und 2007 Zysten entfernt, Eileiter durchlässig gemacht und Gewebeproben an jeweils beiden Eierstöcken entnommen. Es seien "erfolgreiche Eingriffe" gewesen, sagte der Arzt, "ich weiß aber, dass es viele Kollegen nicht so machen". Der vom Gericht bestellte Gutachter Joachim Martius, Chefarzt der Abteilung Frauenheilkunde am Krankenhaus Agatharied, zeigte für das Vorgehen seines Kollegen kein Verständnis.

Gewebeentnahmen, die die Eierstöcke irreparabel schädigen und damit auch die Hormonproduktion abrupt beenden können, seien nur in Ausnahmefällen vorzunehmen. Die Regeln dafür seien "sehr streng". Das Argument des Angeklagten, er habe mit den "winzigen" Gewebeproben für Laboruntersuchungen mögliche Erkrankungen ausschließen wollen, ließ der Sachverständige nicht gelten: "Tumore sieht man oder man sieht sie nicht." Völlig unsinnig sei die Methode, um die Ursachen für Verwachsungen an den Eileitern ergründen zu wollen, so Martius.

Dem Gynäkologen attestierte der Gutachter völlig veraltete Behandlungsmethoden. "Seit den 1970er Jahren sind derartige Eingriffe an den Eierstöcken nur noch in Ausnahmefällen gestattet." Der Angeklagte hatte zuvor aus einem Gegengutachten zitiert, wonach die Gewebeentnahmen "weltweit noch mancherorts" üblich seien.

In Zivilprozessen hat der Arzt bereits Schadenersatzzahlungen an vier seiner ehemaligen Patientinnen zugestimmt. Seine Haftpflichtversicherung muss zwischen 20 000 und 80 000 Euro an die Frauen bezahlen. Im Strafprozess geht es nun auch um den Vorwurf, der Arzt habe bei zwei Eingriffen Mulltupfer im Unterleib der Frauen vergessen. Praktizieren darf der Gynäkologe nicht mehr. Vor zwei Jahren musste er wegen der damals geltenden Altersgrenze seine Zulassung zurückgeben. Ein Urteil könnte am Mittwoch gesprochen werden.

© SZ vom 26.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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