Gymnasiale Kollegstufe:Unfaire Stundentafel

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Jahrgänge ohne Chemie? Sehr problematisch, sagen Lehrer

"Die Chemie stimmt nicht" und Kommentar "Zwang bringt nichts" vom 18. Oktober:

Ohne Chemie geht's nicht

Der SZ-Kommentar wirft den Verbänden vor, nur ihr Fach, nicht aber die Schüler im Blick zu haben. Dabei versteht die Autorin offensichtlich nicht, dass es gerade die Schüler und vor allem auch Schülerinnen sind, die bei den Einwänden der Verbände und Universitäten im Vordergrund stehen.

Dass guter, moderner naturwissenschaftlicher Unterricht auch mehr Zeit braucht, wird geflissentlich übersehen. Kompetenzorientierung, Alltagsbezüge, fächerübergreifende Aspekte, Schülerzentrierung, eigenständiges ergebnisoffenes Experimentieren und neuerdings auch Sprachförderung im Fachunterricht - all das sind die Aspekte, die heute (neben nahezu unveränderten inhaltlichen Anforderungen durch die Lehrpläne) von gutem Chemieunterricht erwartet werden.

Trotzdem geht es uns vom VCBG (einem rein ehrenamtlichen Chemielehrerverband) noch nicht einmal in erster Linie um mehr Stunden für die Realisierung eines solchen Unterrichts. Es geht darum, dass es nicht fair ist, wenn die Unterschiede zwischen den Ausbildungsrichtungen in Chemie so groß werden, dass eine Belegung in der Kollegstufe für Schülerinnen und Schüler der Nicht-NTG-Zweige unzumutbar wird. Wenn mein Mitschüler aus dem NTG-Zweig mehr als doppelt so viele Chemiestunden hatte und ich zudem das letzte Jahr keine einzige Chemiestunde mehr besuchen konnte, habe ich nicht die gleichen Chancen in einem Kurs der Kollegstufe.

Wir begrüßen die Pläne einer Oberstufenreform mit einer individuellen Schwerpunktsetzung durch den einzelnen Schüler sehr. Dazu sollten dann aber auch echte Wahlmöglichkeiten bestehen und nicht von vornherein bestimmte Fächer ausgeschlossen sein. In Biologie mag das Aussetzen für ein Jahr vielleicht noch verkraftbar sein. Chemie mit seinem hohen fachlichen Vernetzungsgrad und den stark aufeinander aufbauenden Inhalten würde davon jedoch sehr stark betroffen sein. Wenn aber fast die Hälfte aller Gymnasiasten in der Oberstufe de facto kein Chemie mehr wählen kann und sie dann nach drei Jahren ohne Chemie Studiengänge wie Medizin, Pharmazie oder andere naturwissenschaftlich-technologische Fächer belegen wollen, haben sie deutliche Nachteile. Darum geht es uns.

Dr. Markus Kiechle, Seminarlehrer für Chemie, Garching

Kehret um!

Jeden Tag begegnen uns in den Massenmedien Ereignisse, die räumlich und inhaltlich einzuordnen oder gar zu werten sind. Die Bandbreite reicht von der Verschmutzung der Ozeane bis zur Vertreibung der Rohingya in Myanmar. Hier ist ein fundiertes globales Wissen gefordert. Da hilft nicht die Kenntnis von irgendeinem Investiturstreit oder einem Erbfolgekrieg. Ein grundlegendes Verständnis für naturgeografische, ökologische, ökonomische und soziale Zusammenhänge tut not, also ein fundiertes Wissen über Bevölkerungsentwicklung und Migration, Klimawandel und Naturkatastrophen, Ressourcennutzung und Warenströme. Deshalb ist heute eine Renaissance des Schulfaches Geografie dringender geboten denn je. Und in dieses komplexe Muster werden in der Stundentafel des neuen bayerischen Gymnasiums Löcher gerissen! Etwas Zerlöchertes aber ist , schadhaft. Man stelle sich vor: Der Lateinunterricht würde mehrmals für ein oder gar zwei Schuljahre ausgesetzt! Unvorstellbar, denn dann müsste man immer wieder neu von unten ansetzen. Können wir es uns leisten, mit diesem lebensnahen Unterrichtsfach so unverantwortlich umzugehen? Metanoeite! (altgriechisch: 'Denket um, kehret um', Ausspruch Jesu im Matthäus-Evangelium; d. Red.) Dr. Ambros Brucker, Gräfelfing

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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