Grüne fordern neue Diskussion:Stolpersteine für die Stadt

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Gunter Demnig verlegte am 21.12.2013 Stolpersteine in München für zwei Zeuginnen Jehovas, die wegen ihrer Überzeugung von den Nazis verfolgt und nach langem Leidensweg ermordet wurden. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bisher dürfen in München Stolpersteine zur Erinnerung an NS-Opfer nur auf Privatgrund verlegt werden. Nun fordert die Stadtratsfraktion der Grünen/Rosa Liste eine neue Diskussion über das seit fast zehn Jahren geltende städtische Verbot.

In die Debatte darüber, ob auch in München auf öffentlichem Grund Stolpersteine zur Erinnerung an NS-Opfer verlegt werden können, kommt Bewegung. Die Stadtratsfraktion der Grünen/Rosa Liste fordert eine neue Diskussion über das seit fast zehn Jahren geltende städtische Verbot. Der Künstler Gunther Demnig hat in der Au und in der Isarvorstadt Stolpersteine für zwei Zeuginnen Jehovas verleget. Die beiden Adressen (Entenbachstraße 45 und Isartalstraße 34) sind Privatgrund - wie die Orte aller bisher 21 in München gesetzten Stolpersteine. Stolpersteine gibt es in 883 deutschen Kommunen - allein in Berlin und Hamburg jeweils mehr als 4000.

Eine Umfrage der Initiative "Stolpersteine für München" hat jetzt ein eindeutiges Ergebnis gebracht: Nach Angaben des Vorsitzenden Terry Swartzberg nahmen 453 Münchner an der Befragung teil - 93 Prozent votierten für eine Verlegung von Stolpersteinen. "Ich bin lesbisch - hätte ich damals gelebt, wäre ich wohl selbst drangekommen", schreibt eine der Befragten. "Das Grauen begann nicht erst in Auschwitz, Sobibor und Theresienstadt", begründet ein weiterer Befragter sein Votum, "es begann in unseren Köpfen, in unseren Häusern und in unserer Nachbarschaft."

Massive Kritik wird laut an der Haltung der Stadt: "Ich kann nicht akzeptieren, dass die Stadt München mir vorschreibt, wie ich mich zu erinnern habe, wie ich trauern darf. Es gibt kein Monopol, von wem auch immer, auf Erinnerung, Trauer und Scham. Ich bin entsetzt über diese Vermessenheit." Die Stolpersteine, so der Tenor, seien eine Möglichkeit, den Ermordeten, die keine Gräber haben, etwas von ihrer Menschenwürde zurückzuholen. Dagegen befürchten Gegner der Aktion - an ihrer Spitze Oberbürgermeister Christian Ude und die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch -, dass zusammen mit den Steinen genau diese Menschenwürde noch einmal mit Füßen getreten werde.

Florian Roth, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, schlägt deshalb ein Hearing vor mit Knobloch, einem Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, Repräsentanten weiterer Opfergruppen wie Homosexuelle sowie Sinti und Roma, Angehörigen von Opfern und dem Künstler Gunter Demnig.

© SZ vom 21.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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