Griechische Erzieherinnen:Hilfe aus Athen

Deutschland sucht verzweifelt Erzieherinnen, in Griechenland sind dagegen viele Fachkräfte ohne Job. Die Innere Mission München hat nun acht griechische Kindergärtnerinnen verpflichtet - sie sind besser ausgebildet als viele ihrer deutschen Kolleginnen.

Dorothee Merkl

Im Grunde ist die Rechnung ganz einfach: In Griechenland gibt es viele Erzieherinnen, aber keine Arbeit. In München mehr als genug Arbeit, aber keine Erzieherinnen. Darum werden am Montag acht Griechinnen im Karl-Buchrucker-Haus begrüßt - sie sollen die offenen Stellen bei den Kindertagesstätten der Inneren Mission füllen.

Griechische Erzieherinnen

Die Innere Mission München stellt zehn Erzieherinnen und Erzieher aus Griechenland ein, um den akuten Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken. Acht von ihnen sind schon da.

(Foto: Jakob Berr)

Vermittelt wurden die Frauen von der Personalberatung Axia, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert hat. Die unbefristeten Arbeitsverträge der Kindergärtnerinnen gelten seit dem 1. September. In den sechs Monaten Probezeit soll sich zeigen, ob das Modell erfolgreich ist. Doch Rosemarie Reichelt von der Inneren Mission München ist zuversichtlich: Schließlich sind die Griechinnen gut qualifiziert, jede von ihnen hat mindestens vier Jahre studiert.

Einen Block, um das Gelernte aufzuschreiben, einen Schirm, um im verregneten Deutschland nicht nass zu werden, und eine Kaffeetasse, um in den Pausen mal ein wenig durchzuatmen: Das sind die Dinge, die Reichelt ihren neuen Angestellten symbolisch mitgibt. Die sitzen - dem offiziellen Anlass entsprechend schick - im großen Saal in der Landshuter Allee und sind ein wenig eingeschüchtert von dem Medienrummel, den sie verursachen.

Auch Lisa Kontoglou aus dem nordgriechischen Drama will zuerst nichts sagen. Ob denn dabei eine Kamera mitlaufe, fragt sie. Deutsch sprechen vor einer Kamera, das könne sie nicht. Dabei geht das mit der Sprache schon ganz gut. Die 25-Jährige hatte bereits in der Schule Deutschunterricht, später auch noch an der Universität. Sie ist Erzieherin mit Masterabschluss.

Hier in Deutschland erwartet sie eine Berufsperspektive, die sie in ihrem Heimatland nicht hat. Zwar war sie dort auch beschäftigt, hat sogar als Dozentin an einer Berufsschule gearbeitet, "aber man verdient gerade einmal 800 Euro", sagt sie. Und das sei im Vergleich schon gut bezahlt. "In Deutschland verdiene ich viel mehr."

Trotzdem ist ihr der Abschied nicht leicht gefallen, Familie und Freunde zurückzulassen fällt schwer. Auf das Heimweh, das bald kommen wird, sei sie gefasst. "Aber ob in Griechenland oder Deutschland: Kinder sind überall sorglos und froh. Sie sind die gute Seite des Lebens", sagt sie mit einem gewinnenden Lachen. Hier übe sie wenigstens den Beruf aus, der ihr Spaß macht.

"Ich bin zum ersten Mal überhaupt im Ausland"

In einem sind sich die jungen Griechinnen einig: Sie sind froh, als Erzieherinnen arbeiten zu dürfen und davon sogar leben zu können. Auch Sofia Digkliou. Die 31-Jährige kommt ursprünglich aus Thessaloniki. Anders als die anderen hat sie nicht in ihrer Heimat studiert, sondern in München.

Acht Jahre hat sie hier gewohnt, nach dem Pädagogik-Abschluss an der Ludwig-Maximilians-Universität noch eine Weiterbildung zur Sonderpädagogin angehängt. Zurück in Griechenland hat sie ein Jahr als Erzieherin gearbeitet, dann als Bürokauffrau - so fand sie wenigstens eine Anstellung. Im März 2012 aber verlor sie die Stelle und war seither arbeitslos. "Wir sind aber nicht nur wegen der Krise hier", sagt sie selbstbewusst. Griechische Kindergärtnerinnen seien qualifiziert, vielleicht sogar überqualifiziert.

Den Plan, irgendwann wieder nach München zu ziehen, hatte sie immer im Hinterkopf. Als sie die Ausschreibung im Internet las, bewarb sie sich sofort. Jetzt wohnt sie wie ihre Kolleginnen in einem Einzimmerapartment, zusammen mit ihrem Mann, der sie hierher begleitet hat.

Gina Grigorakaki dagegen wird alleine in Deutschland leben. Die 23-jährige Athenerin wirkt sehr jung. Sie hat ein wenig Angst vor dem Sprechen und auch vor dem, was kommt, sagt sie. "Ich will das auf jeden Fall schaffen." Sie schaut nach rechts, zur Tür. Dort steht ihre Mutter, die Kamera in der Hand, sie dokumentiert den ersten Arbeitstag ihrer Tochter.

Es ist ein besonderer Tag, ein Neuanfang. "Ich bin zum ersten Mal überhaupt im Ausland", sagt sie. Auf ihre Arbeit mit den Kindern freut sie sich sehr: "Ich habe studiert", betont sie, "und jetzt werde ich die Theorie in die Praxis umsetzen." Sie erzählt von der Ausbildung, den Projekten und Praktika, die sie absolvierte. Die nächsten Monate will sie nun zeigen, was sie kann, was sie gelernt hat. Ihr Ziel: in München bleiben.

Für den ersten Tag ist Rosemarie Reichelt zufrieden mit den Neuen. Sie hätten sich gut geschlagen. Wenn das Modell erfolgreich ist und sie in Deutschland weiter keine Fachkräfte finden, wollen sie bei der Inneren Mission noch mehr Griechen anstellen. Eine Erzieherin und ein ausgebildeter Grundschullehrer kommen auf jeden Fall noch. Sie haben ein wenig zeitlichen Aufschub bekommen, da sie in den Flitterwochen sind. Gemeinsam.

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