Gewaltopfer:Ja zum Nein

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Die Stadt will Angebote für Opfer sexueller und häuslicher Gewalt ausweiten. Angedacht sind Kampagnen, Schulungen und mehr Personal

Von Sven Loerzer

Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt sollen künftig mehr und schneller Hilfe erhalten, außerdem soll die Präventionsarbeit in diesem Bereich verstärkt werden. Die Stadt will dazu eine vorerst auf vier Jahre befristete Kampagne unter dem Motto "Nein heißt Nein" starten, für die insgesamt 120 000 Euro vorgesehen sind. An diesem Donnerstag berät der Kinder- und Jugendhilfeausschuss gemeinsam mit dem Sozialausschuss des Stadtrats über den Ausbau der Angebote, der vor allem auf ein Antragspaket der Grünen/Rosa Liste zurückgeht. Jährlich rund 330 00 Euro zusätzlich muss die Stadt dafür ausgeben, dazu kommen 65 000 Euro einmalige Kosten.

Nach den Übergriffen bei der Silvesternacht 2015/2016 in Köln hatten die Rathausfraktion der Grünen/Rosa Liste in insgesamt fünf Anträgen gefordert, die Rechte von Frauen zu stärken und die Stadt dafür zu sensibilisieren, sexuelle Gewalt nicht zuzulassen und auch nicht zu tolerieren. Sexuelle Gewalt sei nicht das Problem einiger weniger Gruppen, sondern "alltäglich in Deutschland", begründete Stadträtin Lydia Dietrich die Forderung. Übergriffe auf Frauen müssten konsequent als Straftaten gewertet werden. Nach gut eineinhalb Jahren legt nun Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) eine Bestandsaufnahme vor, die als Grundlage dazu dienen soll, Lücken beim Opferschutz und der Gewaltprävention zu schließen.

"Gewalt an Frauen findet in verschiedenen Formen statt - ausgeübt durch Männer mit und ohne Migrationshintergrund", betont Schiwy. "35 Prozent der Frauen in Deutschland haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder/und sexuelle Gewalt erfahren." Übergriffe würden selten zur Anzeige gebracht, aber umso häufiger verharmlost. Auf der Feiermeile zwischen Maximiliansplatz und Müllerstraße habe es 2016 nur drei Anzeigen von Sexualdelikten in der Zeit zwischen 22 und 7 Uhr gegeben. Aufgrund der Scheu vor einer Anzeige könne aber von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Der Gesetzgeber habe das Sexualstrafrecht verschärft, Opfer sollten Belästigungen konsequent zur Anzeige bringen. Ein Hearing zu sexueller Gewalt hält das Sozialreferat nicht für nötig.

Stärken will die Stadt mehrere bewährte Gewaltpräventionsprojekte in der Jugendsozialarbeit vor dem Hintergrund steigender Schülerzahlen. Um das Sicherheitsgefühl in München speziell im Nachtleben zu verbessern, soll die Kampagne unter dem Motto "Nein heißt Nein" gestartet werden, die neben dem Thema Sexismus auch Diskriminierungen von Homosexuellen und Transsexuellen aufgreift. Türsteher von Clubs sollen Schulungen erhalten, um präventiv eingreifen zu können. Clubs, die sich an der Kampagne beteiligen, könnten mit einem Label signalisieren, "dass sie Sexismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschlichkeit ablehnen und aktiv für das Sicherheitsgefühl ihrer Gäste sorgen". Die Kampagne ist auf vier Jahre befristet. Das Sozialreferat kalkuliert jährliche Kosten von 30 000 Euro.

Im Bereich der Prostitution will die Stadt die Ausstiegshilfen stärken. Derzeit sei die Stadt damit beschäftigt, die Beratungs- und Prüfungspflichten umzusetzen, die sich aus dem neuen Prostituiertenschutzgesetz ergeben. Etwa 4500 Prostituierte sind nach Angaben des Innenministeriums in München tätig. Allen Gesetzesänderungen zum Trotz bleibe Prostitution "eine Form von Gewalt und Verletzung der Menschenwürde mit gravierenden Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit". Gerade aus osteuropäischen Ländern sei ein "immenser Zulauf an Prostituierten" zu verzeichnen. Das Angebot an Ausstiegshilfen sei im Hinblick auf die Zunahme der illegalen Prostitution rund um den Hauptbahnhof nicht ausreichend. Mimikry, die Beratungsstelle für anschaffende Frauen des Evangelischen Hilfswerks, soll sich deshalb mit einer halben Stelle zusätzlich um den Personenkreis kümmern.

Um Frauen und deren Kindern schnell Schutz vor Gewalt in der Partnerschaft bieten zu können, will das Sozialreferat die Zahl der bislang 78 Plätze in Frauenhäusern um 24 erhöhen. Zudem sollen das Münchner Informationszentrum für Männer und die Beratungsstelle der Frauenhilfe ihr Angebot zur getrenntgeschlechtlichen Beratung in Fällen häuslicher Gewalt mit 3,5 zusätzlichen Stellen verstärken.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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