Geschäftsidee:Paschtu am Telefon

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Thomas Jasper hat schon viele Dinge verkauft. Mit seinem Telefonservice will er Geld verdienen und Grenzen überwinden. (Foto: David-Pierce Brill)

Bei Anruf Dolmetschen: Rund 20 Sprachen hat das Unternehmen von Thomas Jasper im Angebot - 25 bis 30 Gespräche sind es derzeit am Tag, die Firma profitiert von der Flüchtlingskrise

Von David-Pierce Brill, München

Neulich war Telekommunikations-Unternehmer Thomas Jasper, 45, im Rathaus von Grasbrunn auf Behördengang. Er stand in der Schlange und erlebte, wie ein Mitarbeiter und ein Kunde, der kein Deutsch konnte, mit Händen und Füßen versuchten, sich zu verständigen. Jasper war genervt: "Der Angestellte konnte kein Englisch, da war ein rechtes, aber vermeidbares Durcheinander", sagt er und verspricht: "Mit meinem Service geht das innerhalb einer Minute."

Thomas Jasper erzählt die Geschichte und ist dabei ein Verkäufer, der für sein abstraktes Produkt ein praktisches Beispiel liefert. Im Juni hat der Chef der Firma "LingaTel" den Dienst "Telefon-Dolmetschen - sofort" gestartet, über den er Kunden einen Dolmetscher innerhalb kürzester Zeit vermitteln will. Rund 20 Sprachen hat er im Angebot. Zeit ist für Jasper Geld: "Ich will Leuten sofort helfen." Sein Service soll das können und werde nach eigenen Angaben gut nachgefragt: "Im Moment liegen wir im Schnitt bei 25 bis 30 Gesprächen am Tag", sagt Jasper. Der Umsatz des Service Sofort-Dolmetschen bewege sich in den ersten Monaten im fünfstelligen Bereich.

Wie funktioniert der Service? Über eine 0900-Nummer landen Kunden, die einen Dolmetscher suchen, bei Jasper. Der Service funktioniert derzeit nur in Deutschland, Österreich und die Schweiz sollen folgen. Seine Firma mit zehn Angestellten verfügt laut eigenen Angaben über einen Pool von 500 frei arbeitenden Dolmetschern, von denen pro Schicht etwa 30 bis 50 verfügbar seien. Die Kunden werden zum Dolmetscher der Zielsprache weitergeleitet, der dann übersetzt. Die Minute kostet üblicherweise 1,99 Euro vom Festnetz, teurer kann es vom Handy aus werden.

Aber braucht es wirklich einen solchen Service? Ja, sagt der Unternehmer, weil üblicherweise Dolmetscher nur stundenweise gebucht werden können und die Anreise extra berechneten. Er nennt das "Dolmetscher-Hürde" - und die will er beseitigen. Sozusagen das Dolmetschen weg vom Business hin zur Privatperson bringen. Jasper will ein Jedermann-Dolmetschen.

Und überhaupt: "Der Kunde will einfache Lösungen", sagt der Unternehmer. Seine Lösung ist eine bessere Verständigung. Und die wird immer häufiger nachgefragt - vor allem durch die Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommen sind.

Das zeigt sich auch bei dem Service: "Tigrinja und Paschtu werden vermehrt nachgefragt", sagt Jasper. Die Firma bietet aber auch Arabisch, Persisch, Türkisch oder Albanisch an. Die Flüchtlingskrise begünstigt seinen Service, fordere aber besondere Sensibilität: "Das sind oft hochaufgeladene Situationen", sagt Jasper. Bei der Auswahl der Dolmetscher lege die Firma deshalb großen Wert auf soziale und interkulturelle Kompetenz. Seine Dolmetscher werden oft in emotionalen Situationen angerufen und müssen dann ruhig bleiben. Außerdem muss er auf den Datenschutz achten und auf die Verschwiegenheit seiner Dolmetscher, etwa wenn sie Diagnosen von Ärzten übersetzen.

"Die politische Situation hat den Bedarf an Sprachen gesteigert." Davon abhängig sei seine Firma aber nicht: "Wir verdienen nicht das meiste Geld mit Flüchtlingen". Sondern? LingaTel als Firma biete auch klassisches Dolmetschen für Unternehmen an. Der Telefon-Dolmetsch-Service generiere aber selbst auch - und vor allem abseits von Behörden oder Flüchtlingsunterkünften - eine große Nachfrage.

Dem Geschäftsmann gehen die Beispiele nicht aus. Sein Service könne im sozialen Bereich helfen, in Krankenhäusern oder in Frauenhäusern. Dort, wo die Not schnell und plötzlich kommt und Verständigung sehr wichtig ist. "Hier werden wir am häufigsten kontaktiert", sagt Jasper. Aber auch Concierges von Hotels können so die Gäste besser verstehen und aus der Lobby anrufen.

Thomas Jasper verkauft den Service so gut es geht, bewegt die Hände, spricht mit viel Leidenschaft und weit geöffneten Augen. Der Mann ist von Haus aus kein Techniker, sondern Verkäufer. In der Zeit nach der Öffnung des eisernen Vorhangs habe "er vielfältige Geschäftsbeziehungen nach Tschechien unterhalten. Da habe ich viel Kupferschrott verkauft", sagt Jasper. "Ich sehe die Chancen und probiere viel aus", sagt Jasper über sich selbst. Das mit dem viel Ausprobieren zieht sich durch sein Leben. Er habe BWL und Philosophie studiert und abgebrochen, dann eine Ausbildung zum Kunstschmied gemacht. Nach der Zeit als Kunstschmied wurde er Vertriebsleiter, Projektmanager in der Software-Entwicklung, landete über Callcenter-Technik und Support-Hotlines bei den Telefonie-Diensten.

Ein Typ, der alles verkaufen kann? "Ich suche die sportliche Herausforderung", sagt Jasper. Andere würden sagen: Er gehört zu denen, die dorthin gehen, wo es Geld zu verdienen gibt. Jasper sieht das anders. Das Telefondolmetschen sei für ihn die Verwirklichung seiner Mission einer "Verbindung zwischen Technik und Mensch". Außerdem folge er mit der Idee der Politik, die bis 2023 die Barrierefreiheit in Bayern will: "Ich will, dass Sprache keine Barriere mehr ist", sagt Jasper. Vielleicht wird es ja bei seinem nächsten Besuch im Rathaus von Grasbrunn dann etwas schneller gehen.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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