Geschäft mit Gold:Handeln um jedes Karat

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Es ist ein bisschen wie beim Glücksspiel momentan. Wenn die Kurse plötzlich abstürzen, macht Gottfried Mitsch Verluste. Doch insgesamt ging die Preisentwicklung in den vergangenen Jahren nach oben. Ende 2005 zahlte der Goldschmied für ein Gramm Feingold zwölf Euro. Jetzt sind es 33,50 Euro. (Foto: Veronica Laber)

Der Goldpreis ist massiv eingebrochen, trotzdem laufen die Geschäfte mit dem Edelmetall gut. Um den Münchner Hauptbahnhof gibt es immer mehr Goldshops. Doch je nach Anbieter kann der Preis hier stark schwanken.

Von Melanie Staudinger

Ein kurzer Blick und der Mann ist sich sicher. "20 Euro. Ist nur Modeschmuck", murmelt er und wendet sich wieder dem Chatprogramm in seinem Computer zu. Auf den Einwand hin, dass die Kette aus Gold sei, holt er dann doch ein kleines Okular aus Plastik unter seinem Tresen hervor. Erneut ein kurzer Blick: "Billiggold. 80 Euro." Mehr werde man dafür nicht bekommen.

Tut man sehr wohl, und zwar nur einige Meter weiter in Richtung Münchner Hauptbahnhof, wo der nächste Goldshop eröffnet hat. Hier bedient eine Frau. Sie legt die Kette immerhin auf eine digitale Waage und sucht nach der Art der Legierung. "Acht Karat, 11,5 Gramm", sagt sie und tippt in ihrem Taschenrechner herum. Sie bietet 90 Euro.

Ihr Nachbar in einem Juwelierladen bietet noch etwas mehr. 100 Euro würde er bezahlen. Und der Händler gegenüber, der das Schmuckstück mit einem Röntgenapparat durchleuchtet, bietet sogar 110 Euro. Was das Gerät denn angezeigt habe? "Dass da Gold drin ist", sagt der Angestellte, der ein bisschen schwer zu verstehen ist, weil sich im Reisebüro, welches sich im gleichen Laden befindet, gerade zwei Männer streiten.

Der junge Ankäufer rät allerdings davon ab, die Kette jetzt zu verhökern. Zu niedrig sei der Preis. Er glaube, dass das an der Börse liege, sagt er - und macht dabei aber nicht den Eindruck, als hätte er sich schon eingehender mit dem Thema beschäftigt. Aber er hat Recht: Der Goldpreis ist in der vergangenen Woche immens eingebrochen. Seit seinem Höchststand im September 2011 hat das Edelmetall 29 Prozent an Wert verloren, davon alleine neun Prozent am Montag vor einer Woche. Die großen Investoren fliehen aus dem Gold, werfen riesige Bestände in den Markt.

Das wirkt sich sowohl auf die privaten Kapitalanleger wie auch auf das Altgold-Geschäft aus. Erstere jubeln. Schon lange konnten sie nicht mehr so günstig investieren. Der Händler Pro Aurum in der Messestadt in Riem zählt bis zu 400 Kunden täglich in seinem Goldhaus, das schon rein äußerlich mit seiner Goldbarrenform nichts mit den Goldshops vom Hauptbahnhof zu tun hat. Bei Pro Aurum geht es diskreter zu als in einer Bank, der Schmuckankauf ist nur ein Nebengeschäft.

Die meisten Kunden wollen ihre Goldvorräte aufstocken. Sie schätzen die Sicherheit des Edelmetalls. Der Politik hingegen misstrauen sie ebenso wie dem Euro und den Aktienmärkten. Manche bringen kleine Reisetaschen mit, damit sie ihre Barren und Münzen nach Hause tragen und dort verstecken können. Und sie denken, dass sie mit Gold nicht so leicht über den Tisch gezogen werden können. "Selbst wenn Gold an sich gar nichts mehr wert ist, könnte ich mit den Münzen noch bezahlen, weil sie einen Nennwert haben", sagt eine 32-jährige Angestellte.

Gottfried Mitsch hingegen hat sich auf Altgold spezialisiert. Wer seinen Laden in der Tegernseer Landstraße betreten will, muss erst einmal klingeln. "Aus Sicherheitsgründen", wie Mitsch erklärt. Er bittet sofort in das Nebenzimmer, denn er bedient gerade eine Kundin. Die hat zwar nur drei Krümel Zahngold für ein paar Euro dabei. "Doch Geldgeschäfte dürfen nicht öffentlich betrieben werden", sagt der Goldschmied. Gottfried Mitsch schmilzt das Altgold jeden Abend in seinem Ofen ein und schickt den Klumpen nach Pforzheim, wo er geschieden wird. Es ist ein bisschen wie beim Glücksspiel momentan. Wenn die Kurse plötzlich abstürzen, macht der Goldschmied Verlust. Aber er braucht Geld, um weiter Gold ankaufen zu können, und muss sich deshalb auch schlechtere Margen auszahlen lassen.

Mitsch betreibt sein Geschäft seit knapp zehn Jahren. Es hat sich viel verändert in dieser Zeit. Längst testet er die Qualität nicht mehr mit Abrieb und Salpetersäure, sondern mit einem Röntgengerät, für das er 30 000 Euro ausgegeben hat. Und die Preisentwicklung: Ende 2005 hat er zwölf Euro für ein Gramm Feingold bezahlt, Anfang dieses Jahres waren es fast 44 Euro. Heute bekommen seine Kunden 33,50 Euro. "Für mich ist das in Ordnung", sagt eine dunkelhaarige Frau. Sie hat Armbänder, Anhänger, Ketten und eine Münze dabei. Gelbgold gefalle ihr nicht mehr. Das gewandelte Schönheitsideal - weg von einem Aussehen wie ein behängter Christbaum hin zu dezenterem Schmuck - sei einer der Hauptgründe, warum Kunden Gold verkauften, sagt Gottfried Mitsch. Die anderen sind Armut, Not oder Erbschaften.

Mitsch sortiert die Stücke seiner Kundin nach dem Goldgehalt. Dann überprüft er im Computer den aktuellen Kurs. 210 Euro für die Münze, für den Schmuck noch mal 960 Euro - das reicht für einen kleinen Urlaub. Doch bevor die Frau ihr Geld erhält, muss sie ihren Ausweis vorzeigen. "Damit sie auch ihr Gold verkauft und nicht das von jemand anderem", erklärt Mitsch. Viele der neueren Ankäufer am Hauptbahnhof achten darauf nicht.

Keiner weiß, wie viele Goldshops es in München gibt und wie viele schwarze Schafe darunter sind. Gefühlt werden es aber immer mehr. Sie sind ein ähnliches Phänomen wie Billig-Frisöre oder Wettbüros. Ihnen reichen kleine, günstige Flächen zwischen 30 und 40 Quadratmetern. Siedelt sich einer an, sind in der Umgebung bald mehrere Läden mit der Aufschrift "Gold" zu finden. Sie kaufen nicht nur Gold, sondern handeln auch mit Schmuck, Smartphones oder Laptops. Manchmal ist noch ein Schnellimbiss oder ein Reisebüro dort zu finden.

Experten bezweifeln die Seriosität solcher Anbieter. "Hier wird mit der Not der Menschen Gewinn gemacht", sagt ein Einzelhandelsberater, der namentlich nicht genannt werden möchte. Laut dem Kreisverwaltungsreferat reicht ein Gewerbeschein aus, um einen solchen Laden zu eröffnen. Zusatzqualifikationen oder eine Ausbildung sind nicht nötig. Verbraucherzentralen raten daher, Angebote sorgfältig zu vergleichen und sich am besten zuerst an Sachverständige zu wenden, die den Wert von Schmuck, Barren oder Münzen wirklich bewerten können.

Der Einzelhandelsberater glaubt nicht an die Zukunft der Goldshops. Er schätzt, dass die Geschäfte in zwei, drei Jahren wieder verschwunden sind. Ebenso, wie manche Billig-Frisörläden oder Wettbüros eine Zeitlang in bestimmten Gegenden aus dem Boden schießen, um dann wieder zu verschwinden. Die städtebauliche Umgebung kann das mitunter aufwerten. Das Gold, was mancher Kunde hier vielleicht zu einem zu niedrigen Preis verhökert hat, dürfte dagegen verloren bleiben.

© SZ vom 22.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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