Gericht:Urteil ohne Täter

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Der Film-Verleiher Constantin verklagt erfolgreich den Internetanbieter Vodafone, weil ein illegaler Streamingdienst den Kino-Hit "Fack ju Göhte 3" anbietet - und dessen Betreiber nicht selbst zu greifen sind

Von Stephan Handel

Bevor das Internet erfunden wurde, interessierten sich Juristen für den Begriff "Störerhaftung" höchstens mal bei Demonstrationen oder wenn eine Weltkriegsbombe gefunden wurde. Seit jedoch das World Wide Web von allen möglichen Leuten genutzt wird, und nicht nur von netten, haben sich ganz neue Delikte entwickelt, und die Störerhaftung ist um völlig neue Dimensionen angewachsen. Ein eventuell richtungsweisendes Urteil zugunsten eines Film-Verleihs hat nun das Münchner Oberlandesgericht gesprochen.

Es ging, wie so oft in solchen Fällen, um illegale Streamingdienste. Der Film-Verleiher Constantin hatte festgestellt, dass sein Kino-Hit, der dritte Teil von "Fack ju Göhte", auf einer einschlägigen Seite illegal angeboten wurde. Die Seiten-Betreiber in Anspruch zu nehmen gelang nicht: Ein Impressum gab es auf der Seite nicht, und als die Verantwortlichen, ein Brüderpaar, dann doch ausfindig gemacht wurden, war klar, dass bei denen nichts zu holen war: Einer der beiden ist auf der Flucht, der andere sitzt in Untersuchungshaft.

Auch der Versuch, sich am Host-Provider schadlos zu halten scheiterte: Kaum war ein Anbieter von Webseiten-Services abgemahnt, wechselte die Seite zum nächsten, von einem schottischen zu einem russischen, von dem russischen zu einem ukrainischen. . . eine Hase-und-Igel-Rennen, bei dem der Inhaber der Filmrechte ständig nur Zweiter wurde.

Deshalb versuchte die Constantin zuletzt einen dritten Weg: Sie hielt sich an den so genannten Access-Provider, also jenen technischen Anbieter, der den Zugang zum Internet ermöglicht. In diesem Fall war das Vodafone, aber zu vermuten ist, dass nach dem gerichtlichen Erfolg der Constantin nun auch andere Unternehmen mit Klagen rechnen müssen. Vor dem Landgericht hatte der Kläger Recht bekommen, dagegen war Vodafone in Berufung gegangen.

Die Sache ist momentan im Stadium des vorläufigen Rechtsschutzes; Constantin hat eine einstweilige Verfügung beantragt, was Gunnar Cassardt, der Vorsitzenden Richter, gleich relativierte: "Wir denken im Hauptsache-Verfahren nicht besser als bei der Einstweiligen Verfügung." Was folgte, war ein virtuoser juristischer Ritt über Hindernisse wie Infosoc-Richtlinie, Telemediengesetz, diverse Änderungs-und Umsetzungsgesetze und was der Gesetzgeber damit jeweils eventuell gemeint haben könnte.

Klar war schnell: Die Ausnahmen von der Störerhaftung, die das Telemediengesetz seit Herbst 2017 für die Betreiber von privaten W-Lans vorsieht, gelten tatsächlich auch nur für diese; Vodafone kann sich darauf nicht berufen. In der entsprechenden Bundestags-Drucksache sei eindeutig zu lesen, dass die Bundesregierung damit nur lokale Netze regulieren wollte.

So ging es zuletzt nur noch darum, ob Constantin denn einen Anspruch auf die Einstweilige Verfügung gegen den Internet-Anbieter Vodafone habe. Zwar sei es richtig, sagte der Vorsitzende, dass die Beklagte "recht weit weg von der Rechtsverletzung" sei - dass aber eben die eigentlichen Täter nicht greifbar seien und auch zwischengeschaltete Unternehmen wie der Host Provider nicht dingfest gemacht werden können. So bleibe nur das Unternehmen Vodafone und das Begehren, die illegalen Webseiten dort zu sperren. Das wiederum sei auf jeden Fall dringlich, denn die Rechtsverletzung bestehe ja fort - und Schadenersatz für die Urheberrechts-Verletzung könne von Vodafone nicht verlangt werden. So lautete dann auch das Urteil - was die Betreiber des Portals aber nicht kümmert: Sie beschweren sich auf ihrer Seite, dass "dank Constantin Film" in Deutschland "bald Internet Zensur wie in China oder Nord Korea" herrschen würden. (Az: 29 U 732/18).

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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