Gemeinschaftsprojekt:Brauchtum zum Anpacken

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Unter dem Maibaum, an dem die ganze Schule mitarbeitete, präsentieren sich die Lehrer der Adolf-Kolping-Berufsschule. (Foto: Catherina Hess)

Ein Lehrerteam der Adolf-Kolping-Berufsschule wird für das sonderpädagogische Maibaum-Projekt ausgezeichnet, bei dem die ganze Schule mitarbeitete und mitfeierte

Von Julia Haas, München

Christbäume brennen, Christbäume müllen Straßenzüge zu, Christbäume werden an Elefanten verfüttert. Auch dem Christbaum der Münchner Adolf-Kolping-Berufsschule drohte ein ähnliches Schicksal, bis Lehrer Patrick Oberdörfer beschloss, ihm ein neues Leben zu schenken - als Maibaum für die Schule. Ein Projekt, das ihm und seinen Kollegen jetzt für besonders innovativen Unterricht den zweiten Platz beim Deutschen Lehrerpreis 2017 bescherte.

"Das war erst nur so eine Schnapsidee von mir", sagt Oberdörfer, "aber ich hab' mir gedacht, den sieben Meter langen Prügel können wir nicht einfach wegschmeißen." Der 39-Jährige ist gelernter Bauzeichner und hat in München an der Technischen Universität Berufsschullehramt studiert. Heute unterrichtet er Schüler im Berufsvorbereitungsjahr, sein Fachbereich ist Bautechnik: mauern, fliesen, betonieren. "Die Schüler, die zu uns kommen, haben teilweise noch nie einen Akkuschrauber in der Hand gehabt", sagt Oberdörfer. Er müsse immer beim handwerklichen ABC anfangen. Wie halte ich eine Säge, wie halte ich einen Hammer?

Das sind nicht die einzigen Herausforderungen an der Adolf-Kolping-Schule. Schüler, die das Berufsvorbereitungsjahr machen, kommen von der neunten Förderklasse, haben ihren Hauptschulabschluss nicht geschafft oder nach dem Abschluss keine Lehrstelle gefunden. "Die Schüler brauchen oft einfach noch ein bisschen Zeit", sagt der Berufsschullehrer Oberdörfer. Leider fehle den Jugendlichen häufig die richtige Motivation zum Lernen. "Von 15 Schülern haben fünf gar keinen Bock. Fünf sind total motiviert und fünf finden ihren Weg." Später Maurer werden wollen trotzdem nur die wenigsten. Im vergangenen Schuljahr sei es genau einer gewesen.

Mit Projekten wie der Maibaumaktion will Oberdörfer die Schüler für das Handwerk begeistern. "Wenn ich sie im Unterricht nur Mauern bauen lasse, die sie am Schluss wieder einreißen müssen, ist das frustrierend", sagt er. Der 39-Jährige versucht nachhaltige Projekte umzusetzen, auf die seine Schüler hinterher stolz sein können. Die Initialen der Schule, AKB, hat er mit ihnen schon aus Beton gegossen. Jetzt stehen die Buchstaben groß vor der Schule. Ein anderes Projekt waren "Lümmelbänke" aus zwei Holzstämmen. Außerdem: ein Holzdeck mit Grill und jährlich der Weihnachtsmarkt und der Faschingsball.

Ein Kernteam von etwa 30 Lehrern hilft Oberdörfer, diese Projekte umzusetzen. Den Maibaum stellten sie 2016 auf. Maler und Lackierer bemalten Baum und Schilder, die Metaller bauten einen stabilen Sockel, die Bautechniker kümmerten sich um die Verankerung mit Beton, die Floristen banden Kränze. Ein Schüler wechselte, nachdem er den Maibaum gestrichen hatte, sogar vom Bau zu den Malern, weil ihm das so einen Spaß gemacht hatte. Beim Maibaumfest selbst verkauften die Metzger Bratwürste, die Bäcker ihre Semmeln, die Friseure flochten Frisuren. Die ganze Schule half zusammen. Berufsschüler in den Fachklassen unterstützten die noch unerfahreneren Schüler in der Berufsvorbereitung. Neun Fachbereiche arbeiteten gemeinsam an einem Projekt.

Am Tag der "Schnapsidee" hätte sich Oberdörfer nicht vorstellen können, dass der Maibaum wirklich so schön wird. Vom alten bayerischen Brauch des Maibaum-Aufstellens hätten die meisten Schüler davor noch nie etwas gehört, erzählt er. Sie seien ganz unvoreingenommen gewesen und hätten den Baum bald als ihr eigenes Projekt gesehen. Ein Projekt, das ihnen auch ganz praktisch gezeigt hat, wie das in der Schule Erlernte umzusetzen ist. "Die Grundtechniken von Konstruktion sind ja immer ähnlich", sagt Oberdörfer. 2019 soll es den nächsten Maibaum für die Schule geben.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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