Gelbschwarze Leihfahrräder treten Rückzug an:Wie aus einer an sich guten Idee ein Hassobjekt wurde

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SZ-Leser kritisieren die Zerstörungswut gegen Obike und fragen sich, wie sich derart unzivilisierte Gewalt Bahn brechen konnte

Obike Stießen in München auf Ablehnung, die teils in Zerstörungswut mündete: die Obike-Leihräder. (Foto: Stefanie Preuin)

"Obike zieht fast alle Leihräder ab" und Kommentar "Konzepte dürfen auch mal scheitern" vom 27. März:

Vandalismus ohne Vandalen?

Zugegeben, auch ich habe es zumindest als Zumutung empfunden, als Obike letztes Jahr viele öffentliche Flächen über Nacht förmlich zugeschüttet hat mit seinen gelben Fahrrädern. Ich denke auch, dass dabei, wie beschrieben, etliche taktische und strategische Fehler gemacht wurden. Als Hauptgrund für den jetzigen Rückzug wird "Vandalismus" genannt, und der Radverkehrsbeauftragte der Stadt meint dazu: "Das hat sich Obike letztlich selbst zuzuschreiben." Das mag so sein, aber wenn Fahrräder in Parks herumliegen, im Wasser oder sonst wo, dann liegt die Schuld zunächst einmal bei denen, die sie dorthin werfen. Dieser Hinweis hat mir in der SZ gefehlt (die SZ hat's thematisiert; d. Red.) und wäre durchaus auch eine Betrachtung wert. Wer macht so etwas? Sind das nur Betrunkene oder Bekiffte? Ich fürchte, nicht. Hans Rupprecht, München

Asoziales Verhalten

Hat eigentlich schon mal jemand den Zustand als das bezeichnet, was es (auch) ist:

Nämlich ein inakzeptabler, tumber Vandalismus? Natürlich werden die Täter, und wahrscheinlich auch deren Erziehungsberechtigte, keine SZ lesen. Aber in Berichten darüber diese Verantwortlichen außer Acht zu lassen, halte ich für nach-, wenn nicht gar fahrlässig: So verharmlost man derartige asoziale Verhaltensweisen. Günter Gernhardt, Bad Aibling

Sieg der Barbaren?

Man mag über Obike denken, was man will. Vielleicht sind die Fahrräder unästhetisch und von minderer Qualität, vielleicht wurden zu viele Fahrräder unkontrolliert über die Stadt verteilt, und vielleicht besteht das Geschäftsmodell eigentlich aus Sammlung von Daten. Alles ist jedoch kein Grund dafür, dass der (Wut-)Bürger nachts auf die Straße geht und die Fahrräder mutwillig beschädigt, versteckt, entsorgt oder als vermeintliches Kunstwerk installiert. Genau so schlimm wie den offensichtlichen Rechtsbruch von Einigen empfinde ich aber auch die gesellschaftliche Tolerierung dieser Taten in München. Im vergangenen Jahr erschienen in allen lokalen Zeitungen (auch im Lokalteil der SZ) zahlreiche Artikel über Obike, aber der Vandalismus gegen die Fahrräder wurde kaum verurteilt, eher noch bestärkt (siehe Bericht über Instagram-Posts im SZ-Magazin vom 19. November 2017). Interessant, wie schon harmlose gelbe Fahrräder an der dünnen Schicht des Zivilismus in einer Stadt wie München ein wenig kratzen können. Christian Saur, München

Geht es nur um Fahrräder?

Die schlechte Qualität der Fahrräder, das massenhafte Auftauchen, der Verdacht der heimlichen Datensammlung - all das und noch mehr erklärt nicht die Zerstörungswut. Schon im Wort liegt der Ansatz der Erklärung: Fremde aus Singapur, die an unsere intimen Daten wollen, uns das Geld aus der Tasche ziehen wollen mit billigen Produkten, plötzlich überall sind und uns den Raum streitig machen. Eine Empörung, die durch alle Medien ging und von mancher politischen Stimme noch verstärkt wurde bis hin zu dem Eindruck: An den Gelben dürfen wir uns austoben, die sind ausgegrenzt und "zum Abschuss" freigegeben. Da ist dann diese Wut, die gerne zerstört und sich noch erklärtermaßen im Recht glaubt.

Aber es sind ja nur Fahrräder - war da nicht mal etwas Ähnliches mit Menschen? Dr. Klaus Neumann, München

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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