Geiselgasteig:Film ab

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Das Bavaria Gelände im Grünwalder Stadtteil Geiselgasteig beherbergt insgesamt zwölf Film- und Fernsehstudios. (Foto: Claus Schunk)

Die Bavaria Studios haben Geschichte geschrieben

Von Wolfgang Görl

Hier standen schon viele Zelebritäten vor der Kamera: Sophia Loren oder Liz Taylor, Heinz Rühmann, Steve McQueen und Dustin Hoffman. Regisseure von Weltrang haben hier gedreht, und hier sind Filme entstanden, die mit diversen Oscars dekoriert wurden. In den Studios der Bavaria Film GmbH in Geiselgasteig ist Kinogeschichte geschrieben worden - auch wenn Cineasten heute gelegentlich die Nase rümpfen, weil die dort gedrehten TV-Soaps wie "Marienhof" oder "Sturm der Liebe" so gar nicht ihren ästhetischen Ansprüchen genügen. Aber sie bringen Geld, sichere Einnahmen über Jahre hinweg. Und die große Filmkunst, die internationalen Produktionen? Auch die gibt es weiterhin in München, wenngleich die Konkurrenz in Berlin stark, mitunter auch stärker ist.

Der Wettstreit mit Berlin respektive Babelsberg, wo 1912 das erste große Filmstudio weltweit entstanden ist, gehört beinahe schon zum Wesen der Bavaria-Filmstudios. Diese haben ihre Ursprünge kurz nach dem Ersten Weltkrieg. 1919 erwarb die Münchner Lichtspielkunst (MLK, später Emelka), eine Firma des Filmpioniers Peter Ostermayr, das Gelände in Geiselgasteig. Noch im selben Jahr ließ Ostermayr dort ein Studio errichten, ein Atelier aus Glas, in dem das Tageslicht als natürliche Beleuchtungsquelle fungierte. 1920 drehte Franz Osten hier den ersten Film nach einem Roman von Ludwig Ganghofer. "Der Ochsenkrieg" hieß der Stummfilm, in dem die Schauspieler Fritz Greiner und Thea Steinbrecher mitwirkten. Ebenfalls im sogenannten Glashaus drehte der junge Alfred Hitchcock 1925 das Melodram "The Pleasure Garden" (Irrgarten der Leidenschaft). Hitchcock inszenierte noch einen zweiten Film auf dem Gelände, das bald als "Los Angeles im Isartal" galt. 1928 zerstörte ein Hagelsturm das Glashaus. Als der Tonfilm seinen Siegeszug antrat, geriet die Emelka in Geldnöte. 1932 übernahm die Bavaria Film AG das Unternehmen, sechs Jahre später wurde es als Bavaria Filmkunst GmbH neu gegründet.

Nach dem Krieg nahm man die Produktion in den weitgehend unversehrten Hallen wieder auf, zunächst unter britisch-amerikanischer Leitung. In den Fünfzigerjahren entwickelte sich die Bavaria zur größten deutschen Filmproduktionsstätte. Max Ophüls drehte "Lola Montez" (1955), O.W. Fischer schlüpfte in die Rolle Ludwig II., Kirk Douglas, Peter Ustinov oder Steve McQueen zelebrierten hier ihre Schauspielkunst, auch Regisseure wie Billy Wilder ("Eins, zwei, drei"), Ingmar Bergman ("Schlangenei") oder Bob Fosse ("Cabaret") inszenierten ihre Werke an der Isar. Und jeder, der einmal durch die Filmstadt gewandert ist, kennt den 55 Meter langen Nachbau des U-Boots U 96 aus dem Film "Das Boot", den bedrückend engen Innenraum voller Rohre, Leitungen und Ventile. Man taucht ein in ein erregendes Kino-Epos - dies ist die große Welt des Films.

Die Bavaria hat in den vergangenen Jahren gewaltig investiert, etwa 30 Millionen Euro sind geflossen, um die Hallen auf dem 30 Hektar großen Filmgelände zu modernisieren, die Studiotechnik auf den neuesten Stand zu bringen und die Kapazitäten zu erweitern. Insgesamt zwölf Film- und Fernsehstudios beherbergt die Filmstadt, in der rund 1500 Menschen arbeiten.

MLK-Gründer Peter Ostermayr und dessen Bruder Franz (als Regisseur nannte er sich Franz Osten) waren im Übrigen gut bekannt mit Karl Valentin, der seinerseits ebenfalls ein Filmpionier war. Wie hemdsärmelig der Komiker seinen ersten Film "Valentins Hochzeit" produzierte, schildert er selbst in einer Notiz: "Im Jahre 1913, als man in den ,Kinomatographentheatern' Münchens, deren die Stadt ungefähr ein Dutzend zur Verfügung hatte, über blutige Dramen ,Rotz und Wasser' heulte, ging ich in die städtische Sparkasse und holte mir einige Hunderter heraus, ging zu Zimmermeister Otto Geisser in die äußere Rosenheimerstraße und bestellte ein hölzernes Podium 6 Meter im Quadrat. Dieses Podium ließ ich auf einer Wiese in der Martinstraße auflegen, wir ( . . . ) setzten selbst gezimmerte und bemalte Kulissen darauf, die wir selbst mit einem Handwagen aus der Stadt hinaustransportiert haben. Eine ebenfalls von Zimmermeister Geisser errichtete Holzhütte, Preis 200 Friedensmark, diente zum An- und Auskleiden der ,Filmschauspieler'. Eine kurze Besprechung über den geplanten Film ,Valentin's Hochzeit' und der Film begann nach 2 kurzen Proben."

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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