Gedenken an Naziopfer:"Wir sind keine Gegner!" - "Doch"

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Eine Aktion pro Stolpersteine ruft auch die Gegner auf den Plan: Es kommt zum Eklat

Von Andreas Glas

Was passiert, wenn zwei Gruppen von Demonstranten aufeinandertreffen, die beide das gleiche Ziel haben? Die beide wollen, dass würdig an die im Nationalsozialismus Ermordeten erinnert wird. Sie schließen sich zusammen, könnte man meinen, oder demonstrieren einträchtig nebeneinander. In München ist das anders, jedenfalls dann, wenn es um die Frage geht, ob Stolpersteine, die an Nazi-Opfer erinnern, ein Skandal sind, weil das Erinnern mit Füßen getreten wird. Oder ob sie das Gegenteil dessen sind, eine Ehrerbietung nämlich, weil man sich gewissermaßen verneigt vor den Opfern, wenn man lesen möchte, welche Namen in die Steine graviert wurden. Am Samstagmittag sind diese zwei Lager aufeinander getroffen - und es kam zum Eklat.

Dabei hatte es friedlich angefangen auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Auf dem Boden, unter der Säule mit der ewig brennenden Flamme, hatten die Stolperstein-Befürworter hundert bereits fertig gemeißelte Steine im Quadrat platziert, daneben einen kleinen Lautsprecher aufgestellt, am Mikro hielten fünf Redner ihre Plädoyers. Zuerst Terry Swartzberg, der Vorsitzende der Münchner Stolperstein-Initiative, der vor etwa 40 Zuhörern dafür warb, jedem Opfer-Angehörigen zuzugestehen, so zu gedenken, "wie er oder sie es möchte" - also auch mit Stolpersteinen. Dann sprach der Erfinder der Stolpersteine, Bildhauer Gunter Demnig. Er bezeichnete es als "unsäglich", das Gehen über Stolpersteine in eine symbolische Nähe mit der Nazi-Gewalt gegen Juden zu rücken. Hätten die Nazis nur auf den Juden herumgetrampelt, sagte Demnig, "dann hätten sie blaue Flecken gehabt, die Nazis aber hatten ein gezieltes Mordprogramm".

In dem Moment, als Demnig seine Rede beendete, trafen die Gegendemonstranten auf dem Platz ein. Knapp 20 Menschen, in den Händen hielten sie Pappkartons, auf denen Sätze standen wie "Gegen Gedenken im Straßendreck", "Fußtritte verletzen wieder" oder "Stoppt das Trampelgedenken". Gut 20 Minuten lauschten sie still den Rednern, doch als die Kundgebung vorbei war, gerieten die beiden Gruppen aneinander. Mit der Gegendemonstration "haben Sie meine Gefühle verletzt", schimpfte Stolperstein-Befürworter Peter Hutzelmann in Richtung der Gegendemonstranten. "Nein, Sie verletzen meine Gefühle, weil Sie unsere Verletzung ignorieren", konterte Stolperstein-Gegnerin Gabriella Meros. Barbara Hutzelmann griff nach der Hand ihres Mannes, musste ihn zurückhalten, sie sagte: "Wir haben lediglich eine andere Meinung, wir sind doch keine Gegner." "Doch, wir sind Gegner", rief Meros.

Eine Stunde lang lieferten sich die zwei Gruppen teils scharfe Wortgefechte. Doch ob es Stolpersteine in München geben wird, entscheidet letztlich der Stadtrat, am 29. Juli. Er wird wohl mehrheitlich gegen die Steine stimmen, stattdessen soll es Erinnerungstafeln an Hauswänden und Stelen auf Gehwegen geben.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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