Gärtnerplatztheater in München:"Je weniger Ordnung, desto besser"

Lesezeit: 3 min

Fertigmachen in der Maske: Das Ensemble des Gärtnerplatztheaters spielt im Gasteig das Stück "Der Flaschengeist'. (Foto: Robert Haas)

Wegen des aufwendigen Umbaus im eigenen Haus kann das Gärtnerplatztheater den Betrieb nur aufrechterhalten, indem es von Spielort zu Spielort zieht. Das ist ziemlich mühsam - schweißt aber das Ensemble zusammen.

Von Rita Argauer

Ein Sänger im zerfetzten Piraten-Outfit mit zerstrubbelten Haaren unterhält sich im Gang mit einem befrackten Orchestermusiker der Philharmoniker. Dazwischen stehen riesigen Plastikkisten, die aber schnellstmöglich irgendwo verstaut werden müssen. Das schreit jedenfalls ein Techniker im Vorbeigehen. Voll ist der Backstage-Bereich im Gasteig an diesem Donnerstag. Die Philharmoniker spielen zeitgleich mit dem Ensemble des Gärtnerplatztheaters, das während seiner andauernden Wanderschaft gerade im Carl-Orff-Saal gastiert.

Im Mittelalter war das Herumreisen für Theatertruppen völlig normal. Wandertheater und Schausteller fuhren mit ihrem Spektakel von Marktplatz zu Marktplatz. Doch zu Zeiten von Lessing und Schiller wurde die Forderung nach einem Nationaltheater immer lauter. Die heutige Form der städtischen und staatlichen Theater in Deutschland kommt aus dieser Zeit; und manche der heutigen Theaterbauten haben ebenfalls schon einige Jahre hinter sich. Ab und an bröseln diese historischen Bauten und müssen saniert werden, ein Umstand, der die festsitzenden Staatstheater doch wieder auf Wanderschaft schickt.

In der Spielzeit 2012/13 musste das Münchner Gärtnerplatztheater sein Domizil verlassen. Von dem 1864 eröffneten Theaterbau steht mittlerweile nur noch die prachtvolle Fassade als Kulisse für Schutt und Bagger - das Innenleben des Hauses wird neu gestaltet. Dreizehn verschiedene Spielstätten klapperte das Ensemble seitdem ab, während die Verwaltung und die Probenräume in das ehemalige Gebäude der Hochschule für Film- und Fernsehen in die Frankenthaler Straße in Giesing zogen. Gespielt wurde bisher zum Beispiel in der Reithalle in Schwabing, in der alten Kongresshalle auf der Theresienhöhe oder im Cuvilliéstheater.

Der Carl-Orff-Saal im Gasteig, in dem Wilfried Hillers Singspiel "Der Flaschengeist" gerade aufgeführt wird, ist vergleichsweise eine sehr angenehme Ausweichstätte für das Ensemble. Immerhin gibt es hier die gewohnte Infrastruktur eines Theaters mit Inspizientenpult und Garderoben. "Als wir das Ballett ,Dornröschen' in der Reithalle spielten, mussten wir dort ein komplettes Theater hineinbauen", berichtet Bühnenmeister Andreas Thiemeier. Die leere Halle in Westschwabing verfügt gerade einmal über zwei Produktionsbüros. Doch sind dort weder eine Bühne noch Garderoben vorhanden, ganz abgesehen von einem Backstage-Bereich. Das bedeutet, dass die Bühnenarbeiter mit Containern voller Werkzeug, Bühnenteile, Kulissen und dem Inspizientenpult dort anrückten. Und die Tänzer mussten im Kostüm durch die Kälte zu ihrem Auftritt und auch wieder zurück. Ihre Garderoben und Duschen befanden sich in einem Container neben der Halle.

Im Carl-Orff-Saal braucht das Ensemble nur innerhalb des Gebäudes umziehen. Der Backstage-Bereich überschneidet sich mit dem der Philharmonie, bei zeitgleicher Bespielung müssen ein paar Garderoben geräumt werden. "Aber so einen Luxus wie Solo-Garderoben gibt es hier sowieso nicht", erklärt Margarita Alber, die Pressesprecherin des Theaters. Doch irgendwo verbinde diese Situation die Ensemblemitglieder auf eine ganz besondere Art, findet sie. So kämen zum Beispiel die Statisten in der üblichen Theaterhierarchie den Solisten nie so nah. Aber diese Rangordnung, die ansonsten streng eingehalten werde, sei durch die momentane Situation zwangsläufig ein wenig untergraben.

Warmsingen in der Umkleide: Noch nie waren Statisten so nah bei den Solisten. (Foto: Robert Haas)

Für den Solisten Heinz Schmidtpeter, der den Kiano im "Flaschengeist" singt, ist das überhaupt kein Problem: Er hatte 1958 sein erstes Engagement am Gärtnerplatztheater, hat seitdem in diversen Theater gesungen und findet: "Je weniger Ordnung, desto besser". Doch so anarchisch kann die Organisation eines großen Ensembles auf Wanderschaft dann doch nicht sein. Der Aufbau des Bühnenbilds für den "Flaschengeist" braucht fünf bis sechs Stunden. Allein das Ausladen beanspruche eineinhalb Stunden, sagt Bühnenmeister Thiemeier. Damit das in dieser Zeit klappt, sind genaue Absprachen strengstens einzuhalten: "Es passiert sowieso Unvorhergesehenes, zum Beispiel, dass ein Arbeiter zum falschen Ort fährt."

Die verschiedenen Anlaufstellen sind im Moment über die ganze Stadt verstreut: Da sind Probenräume in Grünwald, die Verwaltung, weitere Probenräume und die Werkstätten befinden sich in Giesing, hinzu kommen verschiedene Lagerhallen und natürlich die Spielstätten. Von 2015 an soll der Bau am Gärtnerplatz wieder teilweise bespielbar sein, erklärt Alber. Richtig einziehen wird man aber vermutlich erst 2016. Der Repertoire-Betrieb, den das Gärtnerplatztheater mit all den Strukturen wie Abonnements und Wiederaufnahmen bisher hatte, ist gerade nicht möglich. Man spielt en suite. Die Produktionen stehen also nur für den Zeitraum auf dem Programm, für den der jeweilige Ausweichort gebucht ist. Und: Nicht jedes Stück passt an jeden Ort. Was wo gespielt werde, sei auch immer ein wenig eine künstlerische Entscheidung, sagt Alber.

Mit dem Circus Krone ist nun demnächst ein Ort an der Reihe, an dem das Theater - seit Beginn seiner Wanderschaft - bisher noch nicht gewesen ist. Nächste Woche steht die Bauprobe an.

© SZ vom 08.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: