Werke von Bach und Schachtner:Musikalische Grenzerfahrung

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Werke von Bach und Schachtner: der Kirchenchor von Sankt Bernhard beim Auftritt. (Foto: Günther Reger)

Kirchenchor von Sankt Bernhard gibt Konzert mit Neuer Musik

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Es gehört viel Mut und Idealismus dazu, mit Laien Neue Musik aufzuführen. Über die manchmal sperrige Faktur hinaus, für deren Erarbeitung intensive Probenarbeit erforderlich ist, muss man sich auch oft mit einer kleineren Zuhörerschaft im Konzert begnügen. Simon Probst, Kirchenmusiker in Sankt Bernhard und Dekanatsmusikpfleger, lässt sich mit seinem Kirchenchor immer wieder auf Neue Musik ein. Dass die Sänger ihrem Leiter zum Schluss kräftig applaudierten, wie es beim Passionskonzert am Sonntag geschehen ist, lässt darauf schließen, dass diese die gemeinsame Arbeit als erfolgreich und gewinnbringend einstuften. Dann ist passiert, was sich alle zeitgenössischen Komponisten wünschen: Das Interesse und das Verständnis für Neue Musik sind wichtige Voraussetzungen dafür, sich auch an anderer Stelle wieder dem sonst Ungewohnten mit Neugier zu stellen.

In der Anfang der Sechzigerjahre erbauten Pfarrkirche Sankt Bernhard fordert allein schon der Raum eine korrespondierende Auseinandersetzung der Architektur mit der Musik unserer Zeit. Auch die Idee, mit einem Komponisten wie Johannes X. Schachtner eine längerfristige Zusammenarbeit aufzubauen, überzeugt: Davon profitiert der Chor, weil sich eine gewisse Vertrautheit mit dessen Kompositionsstil einstellt. Für den 1985 geborenen Schachtner hat es den Vorteil, die Stärken und Grenzen der Chorgemeinschaft Sankt Bernhard bei seiner Arbeit berücksichtigen zu können. Im Konzert am Sonntag erklangen außer Werken Schachtners auch solche von Johann Sebastian Bach. Neben der Chorgemeinschaft waren unter der Gesamtleitung von Simon Probst Adelheid Maria Thanner (Sopran), Stefan Thomas (Tenor und Evangelist), Balthasar Schachtner (Bass), Kilian Dicke-Stucky (Trompete), Mareike Kirchner (Violoncello) und Konstantin Esterl (Cembalo) zu hören.

Zwei schön ausgeglichene Bach-Choräle waren zunächst vom Chor in einer Bearbeitung von Robert Zezilius mit hinzugefügtem Cello zu hören. Dabei verstärkte das Cello mal die Basstimme, schuf Verbindungslinien zwischen Phrasen oder brachte sich mit Umspielungen ein. Die "Zwei Ikonen" für Cello von Schachtner, die dazwischen gesetzt waren, erweiterten den Klangaura durch Glissando, Dissonanzen im Millimeterabstand, Reibetöne oder Kratzgeräusche auf den Saiten. Durch diese Grenzerfahrungen wurde die Sterbethematik der Choräle quasi in musikalischen Ausdruck übersetzt.

Die Historien-Kantate Nr. 2 von Schachtner aus dem Jahr 2015 griff die Tradition der Passionsvertonungen in vielfältiger Weise auf, setzte dazu aber mehrere neue Schichten hinzu. Dazu gehörten Holzbretter, die vom Chor angeschlagen wurden, aber auch eine enge Verzahnung der Besetzung. Tonrepetitionen spielten in Schachtners Werk, hier auch durch den Vortrag des Evangelisten, eine tragende Rolle. In der Kontrastierung konsonanter Klänge mit Geräuschelementen gewannen erstere durch die Intonationsreinheit im Chor an Leuchtkraft. Alle Musiker waren mit höchster Konzentration am dichten, ausdrucksreichen Geschehen beteiligt. Von der Konzertdramaturgie her war es eine Meisterleistung, auf die Historien-Kantate das Schachtner-Stück "Totentrompete" direkt folgen zu lassen. Der Spannungsbogen des Programms fand somit einen beeindruckenden Abschluss.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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