Wenn das Geld ausgeht:Im freien Fall aus der Existenz

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Krankheit, Trennung, Arbeitslosigkeit: Es gibt viele unvorhersehbare Ereignisse, die Menschen in finanzielle Not stürzen. Die Schuldnerberatung der Caritas im Landkreis hilft Betroffenen in ein normales Leben zurück

Von Karl-Wilhelm Götte

Die Schuldnerberatung der Caritas in Fürstenfeldbruck und Germering suchen immer mehr Menschen auf, die allein nicht mehr mit ihren Finanzen klar kommen. Erwachsene aller Altersklassen, die sich entschlossen haben, aus der Schuldenfalle herauszukommen, erhoffen sich Hilfe. Nachfolgend exemplarische Fälle, die zeigen, dass neben zu wenig Einkommen, Arbeitslosigkeit, vor allem auch Trennung häufig zur Verschuldung führen. Aber auch ungezügelter Kaufrausch, oft aus Einsamkeit, häuft nicht mehr zu bewältigende Schulden an.

Auf Kosten der Ehefrau

Alleinerziehende Mutter, 42 Jahre, zwei Kinder mit zwölf und 14 Jahren; Arbeitseinkommen maximal zehn Prozent über Sozialhilfeniveau: Die Frau heiratete sehr jung und wollte sich zusammen mit ihrem Ehemann ein normales Familienleben aufbauen. Ihr Ehemann arbeitete auf selbständiger Basis und verdiente nur unregelmäßig. So kam es, dass Verträge oft auf die Ehefrau liefen, die als Bürokauffrau das Geld für die Familie verdiente. Als sie wegen des ersten Kindes zu Hause blieb, kam es zu Mietschulden bis hin zur Räumungsklage. Das chronische Niedrigeinkommen wurde versucht, mittels Dispoüberziehungen und Krediten zu finanzieren. Das Ehepaar hoffte darauf, dass die Selbständigkeit des Mannes doch noch in Schwung kommt, doch das passierte nicht.

Die Ehefrau arbeitete Vollzeit, während ihr Mann immer öfter zu Hause blieb. Es kam in der Folge dazu, dass er auf ihren Namen Waren im Internet bestellte. Vor zwei Jahren zog er ohne Vorwarnung aus, um wieder bei seinen Eltern zu leben. Die Ehefrau arbeitet aktuell in Vollzeit als Bürokauffrau, verdient etwa 1750 Euro netto und bekommt Kindergeld. Unterhalt erhält sie von ihrem mittlerweile geschiedenen Mann nicht. Sie kann und möchte ohne zusätzliche Sozialleistungen ihr Einkommen sichern, obwohl sie an der Grenze zum Existenzminimum lebt. "Sie ist eine sehr fürsorgliche Mutter, aber es bleiben keine Mittel für besondere Dinge oder teure Hobbys für die Kinder", weiß die Caritas-Beraterin Nicole Egle. So wurde auch der Tanzkurs der Tochter gekündigt. Auch die Schuldenraten konnte sie nicht mehr bedienen. Sie musste vor ihrem Arbeitgeber ihre Situation offen legen, da auch dort bereits erste Briefe eintrafen. Nun ist sie bei der Schuldnerberatung angemeldet. Dort wird mit ihr ein außergerichtlicher Vergleich mit den Gläubigern erarbeitet. Sie hat etwa 50 000 Euro Schulden.

Folgen der Drogensucht

Mann, ehemals suchtkrank und arbeitslos, Schuldenregelung durch Insolvenzverfahren: Heute ist der Mann 28 Jahre alt und muss für 26 000 Euro geradestehen. Als Jugendlicher war er ausgezogen, lebte in Jugendhilfeeinrichtungen und als junger Erwachsener viele Jahre in Obdachlosigkeit. Er fand immer wieder Unterschlupf, blieb aber ohne festen Wohnsitz. Die Schul- oder Berufsausbildung konnte er nicht beenden. Zusätzlich entwickelte er eine schwere Suchterkrankung. Durch die lückenhafte Meldung bei den Ämtern war er nicht immer krankenversichert, so wurden viele Arzt- und Krankenhausrechnungen privat in Rechnung gestellt. Auch aus ÖPNV-Fahrten ohne Fahrkarte summierten sich erhebliche Schulden, hohe Geldstrafen oder eine Ersatzfreiheitsstrafe waren die Folge. Nach einem erfolgreichen Entzug und einer Therapie wurde ihm ein Appartement vermittelt. Er beantragte Sozialleistungen und hatte wieder Krankenversicherungsschutz.

"Er kam aus eigener Motivation zur Schuldnerberatungsstelle", erzählt Birgitta Wildmoser. "Schulden bei Ärzten, Krankenhäusern und gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr waren aufgelaufen", so die Caritas-Beraterin. Es wurden alle Gläubigerunterlagen aufgespürt, eine Liste zu den 26 000 Euro Schulden angelegt. So schaffte es der Mann, einer geringfügigen Arbeit stabil nachzukommen. "Zu jeder der zehn Beratungsstunden kam er pünktlich und zuverlässig." Er bezieht weiterhin ergänzende Sozialleistungen und seine Schulden wurden mit Hilfe eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens geregelt. Er ist weiterhin suchtmittelfrei und möchte eine Ausbildung nachholen. Wildmoser: "Es entstanden keinerlei neue Schulden mehr, die Existenzkosten sind gesichert."

Desaster durch Trennung

Mann, 51 Jahre, alleinstehend, in Scheidung lebend, drei Kinder im Alter von 12 bis 16 Jahren, aufgrund einer Behinderung in Teilzeit arbeitend: Der Mann wohnt noch immer in der ehemaligen Drei-Zimmer- Familienwohnung, in der er bis vor einem halben Jahr mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte. Die Kinderzimmer sind noch möbliert, da seine Kinder ihn regelmäßig besuchen. Vieles andere, wie Haushaltsgeräte, Möbel und das meiste Geschirr hatte die Frau mitgenommen, als sie sich für den Ehemann überraschend getrennt hat und sich gemeinsam mit ihrem neuen Partner eine Wohnung einrichtete. Die Rücklagen des 51-Jährigen sind aufgebraucht. Er sucht nun dringend eine kleinere Wohnung, was mit seinem geringen Gehalt sehr schwierig ist. Er kann aufgrund einer Behinderung nur in Teilzeit arbeiten, hat nun auch ergänzend Sozialleistungen beantragen müssen, um überhaupt sein Existenzminimum zu sichern. Parallel sind Unterhaltsforderungen für die Kinder durch die Ehefrau angekündigt, die der Mann nicht bezahlen kann. Schon jetzt ist es so, dass er nicht immer genug zum Essen für sich hat.

Ein gemeinsamer Kredit erhöht den finanziellen Druck, zumal die Ex-Frau diese Kreditrate ebenfalls nicht bedienen kann, weil sie auch nur über ein Niedrigeinkommen verfügt. "In der Schuldnerberatung wurde der Mann zunächst psychisch stabilisiert", erklärt Caritas-Mitarbeiterin Sandra Dierksheide. Eine Gläubigerliste wurde erstellt, die Gläubiger um Stundung gebeten und auch darüber informiert, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aussichtslos sein würden. Im Moment geht es für den Mann um die Existenzsicherung und die Verhinderung von Obdachlosigkeit. Wenn er einen günstigeren Wohnraum gefunden hat, wird die Schuldenregulierung beginnen können.

Manischer Kaufzwang

Frau, 69 Jahre, verwitwet, Rentnerin: Die Rentnerin, die in einer günstigen kleinen Wohnung lebt, hat sich nach ihrer Verschuldung für ein Leben an der Pfändungsgrenze entschieden. Die Frau ist verwitwet und bezieht eine kleine eigene Rente und eine Witwenrente. Wenn beide Renten zusammengerechnet werden, ergibt sich ein monatlich pfändbarer Betrag in Höhe von 88 Euro. Dieser Betrag wird von einem Gläubiger gepfändet, der eine große titulierte Forderung in Höhe von 8500 Euro hat. Die ältere Frau ist in psychiatrischer Behandlung wegen einer bipolaren Störung. "In der manischen Phase hatte sie immer sehr viel eingekauft - auch Dinge, die sie nie gebraucht hatte", erläutert Barbara Koemm von der Beratungsstelle. Sie kam zur Schuldnerberatung, als sie gerade wieder einen Ratenkauf abgeschlossen hatte. Mit Hilfe ihres Arztes und mit ihrem Einverständnis konnte eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden. Dies bedeutete, dass Verträge rechtlich nicht mehr gültig waren, wenn der Betreuer nicht zugestimmt hat. Bei Versandhäusern hat sich die Rentnerin selbst sperren lassen.

Die Schuldnerberatung der Caritas im Landkreis hat immer mehr Hilfesuchende, denen Gläubiger im Nacken sitzen. (Foto: Günther Reger)

In der Schuldnerberatung wurde darüber gesprochen, dass die Rentnerin das Verbraucherinsolvenzverfahren machen könnte. "Das wollte sie nicht, weil es sie zu sehr aufregt und sie meinte, dass sie das Ende des Verfahrens ohnehin nicht erleben würde", berichtet Beraterin Koemm. Ein außergerichtlicher Vergleich schien aufgrund der großen Gläubigerzahl nicht aussichtsreich. Die Gläubiger wurden alle über die Situation informiert. Manche buchten ihre Forderungen aus, einige verzichteten auf weitere Zinszahlungen. Andere hinterlegten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beim Rententräger, so dass sich die Schulden jeden Monat ein wenig reduzieren. "Die ältere Dame lebt sehr bescheiden mit dem Rest der Rente. Neue Schulden macht sie schon lange nicht mehr", erklärt Koemm.

Die Schuldnerberatung der Caritas ist in Fürstenfeldbruck unter der Telefonnummer 08141/320722, in Germering unter 089-84807910 für Beratungstermine erreichbar.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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