Wedekind statt Vermes:Neue Bühne Bruck spielt mit ihrem guten Ruf

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Klappt das Experiment an diesem Freitag, folgen laut Regisseur Philipp Jescheck weitere Inszenierungen. (Foto: Simon)

Nach der Absetzung des jüngsten Stücks "Er ist wieder da" entscheidet das Publikum über eine spontane Aufführung. Bereits am Freitag hat "Frühlingserwachen" Premiere

Von Julia Kiemer, Fürstenfeldbruck

Nach der Absetzung des Stücks der Neuen Bühne Bruck "Er ist wieder da" aus theaterinternen Gründen hatte man plötzlich viele freie Spieltermine, aber kein Stück mehr. Ein neues Stück musste her und das möglichst schnell. Und wie es so ist, erfordert eine Notsituation bisweilen außergewöhnliche Maßnahmen. Das hat in der Neuen Bühne Bruck zur Reihe "Kamikaze-Produktion" geführt. Drei einfache Regeln prägen die Produktion. Die Zuschauer wählen aus, welches Stück gespielt wird. Danach haben die Schauspieler eine Woche Zeit zum Proben. Die Premiere findet nur statt, wenn die Vorstellung ausverkauft ist. Letztere Regel sei sehr ambitioniert, aber kein Witz, erzählt Alexander Schmiedel, der bei der Neuen Bühne Bruck als Schauspieler tätig ist und gleichzeitig auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit organisiert. Trotzdem spiele man natürlich auch dann, wenn nur 70 oder 80 Besucher kämen.

Am vergangenen Sonntagabend konnten die Besucher der Vorstellung "Frankenstein" das erste Stück der "Kamikaze-Produktion #1" bestimmen. Die Zuschauer seien überrascht gewesen, hätten aber auch gelacht und sich gefreut, so Schmiedel. Per Handzeichen wählten sie aus drei Stücken ihren Favoriten, Frank Wedekinds Tragödie "Frühlingserwachen" überzeugte das Publikum am meisten und wird damit bereits am kommenden Freitag von der Neuen Bühne Bruck in Fürstenfeld aufgeführt. Regisseur und Ideenschöpfer Philipp Jescheck ist überrascht von der Auswahl des Publikums. "Ich finde die Wahl sehr interessant, dachte aber, dass ein lockeres Stück bestimmt wird", so Jescheck. Neben Wedekinds "Frühlingserwachen" standen "Ein Sommernachtstraum" von Shakespeare und "Titanic" zur Auswahl.

Jescheck geht es mit seiner außergewöhnlichen Idee darum zu sehen, was man in einer Woche umsetzen und möglich machen kann. Man greife damit den Leistungsgesellschaftsgedanken auf und verwirkliche diesen kreativ, so der Regisseur. Zudem sei es interessant zu sehen, für welches Stück sich die Zuschauer entscheiden. Die Idee einer solchen Produktion bestand schon länger, jetzt kommt sie nach der Absetzung von "Er ist wieder da" sehr gelegen. Das Besondere an der "Kamikaze-Produktion" sei nicht nur die kurze Vorbereitungszeit, sondern auch, dass man sich auf das Kernthema des Stücks reduziere, erklärt Jeschke. Auch die Textsicherheit sei schwierig umzusetzen, man wird vermutlich mit Zetteln arbeiten.

Die vier Schauspieler, die am Freitag zu sehen sein werden, seien "total motiviert", hätten aber natürlich auch Bammel vor der Premiere, so der Ideengeber. Jescheck und Schmiedel sind sich bewusst, dass die "Kamikaze-Produktion" ein Experiment, ein Pilotprojekt ist. Man gehe völlig blind und ohne Ausgangswissen in die Sache, so Schmiedel. Er bezeichnet es als ein wenig "selbstmörderisch", denn man spiele ja mit dem Ruf der Schauspieler und der Neuen Bühne Bruck. Deswegen auch der Name Kamikaze. Sollte die Produktion am Freitag Erfolg haben, wird daraus ein vierwöchiges Special. Nach der Vorstellung wird das Stück für die nächste Woche gewählt und dann am darauffolgenden Freitag gespielt.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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