Wahlkampf:Siegesgewiss

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Cem Özdemir stimmt bei seinem Auftritt auf dem Volksfest in Fürstenfeldbruck auf die bevorstehenden Landtagswahlen ein. Er weiß um die vielversprechenden Umfragewerte und setzt deshalb auf schwarz-grüne Töne

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Ohne Frage ist die Mass an diesem Sonntagabend auf dem Volksfest in Fürstenfeldbruck halbvoll. Zumindest die des Grünen-Politikers Cem Özdemir, der gekommen ist, um im Festzelt eine gut halbstündige Rede zu halten. Özdemir hat allen Grund, optimistisch zu sein. Laut jüngster Umfrage ist seine Partei momentan die zweitstärkste in Bayern. Und die CSU kann auch weiterhin nicht auf eine absolute Mehrheit im Landtag hoffen. Eine schwarz-grüne Landeshochzeit scheint also greifbar nahe, zumal etwa die Hälfte der Befragten sich eine Koalition dieser beiden Parteien wünscht. Schwarz und Grün, konservativ und ökologisch. Man könnte fast sagen: Heimatverbunden, aber bitte öko. Dazu noch die nötige Prise Modernismus, die Özdemir großzügig verstreut - und die Zuhörer im Festzelt können wohlgesonnener nicht sein. Dieses Rückenwindes ist sich Özdemir überaus gewiss, als er den Grünen-Wahlkampf an den kreischenden Jugendlichen in Fahrgeschäften mit Namen wie "Freestyle" oder "Break Dance" vorbei nach Fürstenfeldbruck bringt.

Vor seinem Auftritt begrüßt dieser die Parteifreunde, auf unserem Foto die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer. (Foto: Günther Reger)

Dank zweideutiger Angaben zum Beginn der Rede - das Programm des Volksfest kündigte Özdemir um 18 Uhr, die Ortsgrünen um 19 Uhr an - fanden sich im Laufe einer Stunde so viele Gäste ein, darunter Stadträte, Bürgermeister und andere Lokalpolitiker, dass nicht einmal ganz hinten viel Platz auf den Sitzbänken blieb. Viele stellen sich an den Rand, um zur Bühne schauen zu können. Zwischen 800 und 1000 Gästen schätzt der Veranstalter an diesem Abend. Sein Bier nimmt Özdemir mit auf die Bühne. Das dunkle Jackett lässt er unten zwischen den Parteikollegen und hiesigen Landtagskandidaten Martin Runge und Gabriele Triebel liegen. Ein blaues Hemd, Kragen locker, Ärmel hochgekrempelt, und eine starke Aura der Selbstsicherheit, mehr braucht der Schwabe nicht, als er das Publikum mit "Liebe Gäschte" begrüßt und "Wir hier im Süden" sagt.

Rund 1000 Besucher lauschen im Festzelt auf dem Fürstenfeldbrucker Volksfest dem Politstar. (Foto: Günther Reger)

Das, was dann kommt, hat aber wenig Kampfgeist. Wozu denn auch? Wer sich des Erfolgs gewiss ist, muss sich auch nicht mehr so anstrengen, scheint es. Özdemir verzichtet zu großen Teilen auf eine zu starke Betonung rein grüner Themen, spricht wenig über Umweltschutz und berührt bloß sparsam das auch hier im Landkreis so viele Gemüter erhitzende Thema der erneuerbaren Energien. Eine Forderung nach dem Kohleausstieg kann Özdemir natürlich nicht ganz auslassen. Jedoch verknüpft er sie geschickt mit der Flüchtlingsthematik und sagt: "Wer nicht will, dass mehr Flüchtlinge zu uns kommen, der soll aus der Kohle aussteigen." Dafür erntet er einen großen Applaus. So viel Geschick muss sein: Özdemir macht bereitwillig den Spagat zwischen traditionell konservativen, CSU-nahen Themen und dem globalen Klimaschutz. Ebenfalls gekonnt: Wie der Grünen-Politiker stattdessen auf wirtschaftliche Schwerpunkte setzt. Sein Publikum fest im Blick - immerhin spricht er hier in einem Bierzelt im Münchner Umland und nicht in einem Start-up-Unternehmen im Prenzlauer Berg. Er fordert deshalb den Ausbau des Mobilfunks, die flächendeckende Verlegung von Glasfaserkabel und pocht immer wieder auf der Konkurrenzfähigkeit der Deutschen im internationalen Vergleich. Die Chinesen, Inder und Koreaner seien ganz vorne mit dabei, aber er wolle, "dass die Arbeitsplätze in München bleiben, und nicht nach Peking wandern", so Özdemir.

Cem Özdemir. (Foto: Günther Reger)

Seinen bayerischen Kollegen gibt er Tipps für anstehende Koalitionsverhandlungen mit der CSU. Doch statt grünen Kernthemen nennt Özdemir zwei "Bedingungen" für Gespräche mit den Schwarzen, die unproblematischer und massentauglicher nicht sein könnten: Erstens eine elektrifizierte Eisenbahn und zweitens das Ende des Kupferkabels für schnelleres Internet, auch auf dem Land. Die Zuschauer fanden Özdemirs Forderungen allerdings gar nicht mau und gaben ihm mit Johlen und Klatschen abermals Aufwind. Als Realo weiß Özdemir, wie er die Situation bewerten muss. Sein Blick geht deshalb auch immer wieder in eine Ecke des Saals, wo Vertreter des Bayerischen Bauernverbands sitzen. Hier sind die Landwirte, die er schon mal auf die Grünen als Partner einstimmen muss. "Solang die Inhalte stimmen, kann man mit allen koalieren", sagt er. Also setzt er auf Kuschelkurs mit der CSU. Andererseits geht es jetzt darum, möglichst viele Prozentpunkte einzuholen, um Herzensthemen in Koalitionsgesprächen durchbringen zu können. Also: Profilierung. Deshalb darf auch mal der ehemalige Verkehrsminister und heutige Landesgruppenchef der CSU Alexander Dobrindt für die Pkw-Maut gerügt werden, aber gerade noch so, dass es sich konstruktiv anhört. Dazu passend kommt die Schlussbotschaft seines Auftritts: "Man könnte meinen, das alles könnte auch von der CSU kommen", sagt er selbst. Aber: "Wir werden es nach den Landtagswahlen besser machen ."

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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