Wahlkampf im Bierzelt:Bayerischer als die CSU

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Hubert Aiwanger wird beim Einzug ins Zirkuszelt eskortiert von Hans Friedl (links) sowie Georg Stockinger und Michael Schanderl (hinten von links). (Foto: Günther Reger)

Mehr Lederhose, mehr Dialekt, mehr Wohltaten, mehr Zuhörer, mehr Handschläge: Hubert Aiwanger bemüht sich auf dem Brucker Volksfest, die Christsozialen zu überflügeln

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Mehr Vorsitzender geht nicht. Hubert Aiwanger ist all das, was Markus Söder nicht vergönnt ist: Bundesvorsitzender. Landesvorsitzender. Und auch noch Fraktionsvorsitzender im Landtag. Bei seinem Auftritt am Sonntagvormittag auf dem Brucker Volksfest zeigt sich freilich, dass der 47-Jährige ebenso großzügig wie der Landesvater mit dem Füllhorn durch die Lande ziehen kann. An seinen vollmundigen Wahlversprechen müsste er sich nur dann messen lassen, wenn die CSU die absolute Mehrheit verfehlt und die Freien Wähler sich mit ein paar zusätzlichen Prozentpunkten aufhübschen könnten als Braut für eine Koalition.

Die Freien Wähler würden arg gerne nach den Sternen greifen, die Prognosen zufolge noch so unerreichbar scheinen wie jene in der Kuppel des Zirkuszelts. An gleicher Stelle hatte sich noch gut eine Woche zuvor der CSU-Generalsekretär abgearbeitet. Aiwanger, der gebürtige Ergoldsbacher, hat Markus Blume einiges an Routine und Wortgewalt voraus - ganz abgesehen von dem mit lang gezogenen Vokalen kaschierten, aber höchst authentischen Niederbayerisch. Da sieht man es ihm auch nach, wenn er sich mal vergaloppiert und aus der Autobahnmaut, vorausblickend aufs nächste Aufregerthema, die "Ausländermaut" wird. Bei der CSU las man vor einer Woche auf weiß-blauem Grund den Slogan "Näher am Menschen". Die Freien Wähler sind schon weiter: "Der Mensch im Mittelpunkt". Vor hundert Zuschauern - doppelt so vielen wie bei der CSU, die einzeln per Handschlag begrüßt werden - haben sie auch kleidungstechnisch leicht die Nase vorn. Das verdanken sie vor allem Michael Schanderl, der nicht nur Bürgermeister von Emmering, sondern auch noch Bezirks- und Kreisrat sowie Kreisvorsitzender des bayerischen Gemeindetags ist. Mehr Heimatverbundenheit, mehr Tradition, mehr Bayern geht nicht: Schanderl hat zwar keinen Laptop dabei, dafür aber eine zünftige Lederhose, wie man sie vor einer Woche bei den CSU-Vorderen nicht zu sehen bekam. Vor allem aber haben die Freien Wähler die Straßenausbaubeitragssatzung. Mit dem sperrigen Wortungetüm haben sie die CSU vor sich her getrieben. Weiß auf rotem Grund ist die Zahl der gesammelten Unterschriften am Rednerpult zu lesen: 189 893 rote Karten für die "Strabs". Aiwanger liest der CSU die Leviten, legt den Finger in offene Wunden, prangert Missstände an. Wie er die Wohltaten finanzieren will, lässt er offen. Da müsste er nach dem 14. Oktober gemeinsam mit Söder zum Rotstift greifen.

Hinter einem halb vollen Glas Wasser brüstet sich Aiwanger damit, Studiengebühren und G 9 höchstselbst den Garaus gemacht zu haben. Und er versucht, den CSU-Löwen weiter am Nasenring durch die Manege zu führen: Statt ein bayerisches Weltraumprogramm auf die Beine zu stellen und ein paar Kreuze aufzuhängen, solle Söder sich lieber um unterbezahlte Hebammen und Pflegekräfte kümmern, um den Erhalt von Kliniken, kostenlose Bereitstellung von Kitaplätzen, Abbau von Bürokratie in Landwirtschaft und Wohnungsbau sowie Lehrer und Polizisten einstellen. "Wer das nicht lösen kann, braucht nicht zum Mond fliegen. Das ist meine Botschaft", sagt Aiwanger und bringt es nach eineinhalb Stunden auf den Punkt: "Wir müssen den Schwarzen den Marsch blasen." Die Allinger Blaskapelle spielt passenderweise ein Prosit der Gemütlichkeit. "Oans, zwoa, drei, gsuffa." Und Aiwanger ergründet zufrieden sein stilles Wasser.

Der Allinger Landtagskandidat und FW-Kreischef Hans Friedl gibt ihm, flankiert vom Brucker Kollegen Georg Stockinger, noch eine To-do-Liste als Lektüre mit auf den Heimweg. Darin finden sich Punkte wie "BMW" (Bauern, Metzger und die mittelständische Wirtschaft sind zu fördern), der Bau des A-99-Südrings und S-Bahn-Ausbau und mehr Lehrer für staatliche Feuerwehrschulen. Was von dem Zehn-Punkte-Programm im Fall einer Regierungsbeteiligung übrig bliebe, ist offen. So machte die FDP 2008 die Erfahrung, dass CSU-Ministerpräsidenten nicht zwangsläufig multiple Vorsitzende sind - aber eben auch keine Wunschfeen.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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