Von Lissabon nach Tallinn:Mit Kutsche und Skateboard

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Jesenwanger organisieren eine Reise für Toleranz durch Europa

Von Ariane Lindenbach, Pfaffenhofen

"Go Europe!" Das steht auf den beiden mit Strom betriebenen BMW i3, die seit Kurzem immer wieder in Adelshofen und Umgebung zu sehen sind. Was soll das bedeuten: Go Europe!? Um diese Frage zu beantworten, und vielleicht auch den ein oder anderen für ihre Idee von einer weltoffenen, toleranten und weiterhin grenzenlosen Europäischen Union zu gewinnen, haben die Fahrzeugbesitzer von der gemeinnützigen GmbH gleichen Namens am Donnerstag eine Informationsveranstaltung im Jesenwanger Ortsteil Pfaffenhofen organisiert. Genau ein Dutzend Menschen ist in das Bürgerzentrum gekommen, darunter mehrheitlich ältere Männer, eine Handvoll Frauen mittleren Alters sowie ein Vater mit seiner vielleicht 25-jährigen Tochter.

"Wir sind noch ein beschaulicher, kleiner Stammtisch heute, aber das ist halt so, wenn man frisch anfängt", begrüßt Carsten Witt die Anwesenden. Der 76-jährige Bauingenieur ist Gründer und Geschäftsführer von "Go Europe!". Das Projekt, die "Make Europe Greater Tour" (M.E.G.T.), stellt Witts Sohn Korbinian Sonnenholzner vor. Innerhalb eines Jahres, von Oktober 2017 bis Oktober 2018, wollen Witt und seine Mitstreiter - derzeit sind es sechs - die Strecke von Lissabon nach Tallinn zurücklegen. Das Transportmittel kann frei gewählt werden. Witt, der offenbar sehr sportlich ist, wird die 4500 Kilometer zu Fuß zurücklegen. Andere Mitstreiter fahren mit dem Auto oder dem Fahrrad, so wie Witts zweiter Sohn Jakob, einer will die Strecke mit dem Skateboard zurücklegen, eine junge Frau mit einer Pferdekutsche. Für diese versucht die Gesellschaft zurzeit einen Transporter zu organisieren: um die Überfahrt auf Fähren zu vereinfachen, aber auch damit das Team, bestehend aus zwei Frauen, in abgelegeneren Gebieten problemlos übernachten kann.

"Es soll ein Projekt von allen für alle sein", erläutert Korbinian Sonnenholzner. Ziel sei es, Begegnung und Freundschaft zu fördern. Jeder Tour-Teilnehmer kann eine eigene Route konzipieren. Am Ende sollen alle Hauptstädte Europas in diesem einen Jahr bereist werden. Die Vorarbeiten laufen bereits ganz gut. So haben die Aktivisten Hunderte von Zusagen für Teilstrecken der Route, in größeren Städten bestehen Kontakte zu Unterstützern, die vor Ort publikumswirksame Events organisieren wollen, wenn eine M.E.G.T.-Tour durch die Stadt führt. Sicherlich hilfreich bei diesen Vorbereitungen sind Witts Kontakte aus seiner Zeit als Comenius-Koordinator. Dieses EU-Projekt fördert den Austausch von Schulen.

Tallinn als Ziel ist freilich nicht willkürlich gewählt. Carsten Witt, übrigens mit Kathrin Sonnenholzner verheiratet, was aber hier nur am Rande erwähnt wird, da die SPD-Landtagsabgeordnete mit dem Projekt nichts zu tun hat, Witt also versteht die Ein-Jahres-Tour lediglich als Auftakt für ein weiteres, mindestens genauso großes Projekt. Er will das leer stehende, allmählich verfallende Gefängnis Patarei in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Kulturzentrum aufbauen. Es soll ein Ort der Begegnung werden. "Kein Eliten-Kulturzentrum, sondern für jedermann", bekräftigt Korbinian Sonnenholzner. Da kaum jemand es sich leisten kann, ein Jahr durch Europa zu reisen, ist seit einigen Tagen eine Sponsoring-Agentur für "Go Europe!" tätig. Wie Witt erläutert, hofft er, für das ungewöhnliche Projekt einige Unterstützer zu finden, die weitere Teilnehmer mit 12 000 Euro Grundeinkommen unterstützen. Zwei solcher Einkommen will die gGmbH zudem noch verlosen.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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