Verlegung der Bundesstraße 2:Ärger über eine Indiskretion

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Fürstenfeldbrucks OB Erich Raff wollte mit Regierung und Straßenbauamt "im stillen Kämmerlein" ausloten, wie sich die Ertüchtigung der Amperbrücke für 40-Tonner vermeiden ließe. Dass deren Vorschlag noch vor Erörterung in den Gremien nun publik geworden ist, findet er nicht gut. Die meisten Fraktionen stehen der alternativen Trasse ohnehin kritisch gegenüber

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In der Kreisstadt schlägt die mögliche Verlegung der Bundesstraße 2 weiterhin hohe Wellen. Anwohner im Brucker Westen warnen vor einer zusätzlichen Verkehrsbelastung. Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) ist aber vor allem erzürnt darüber, dass aus einer der Fraktionen die Planskizze überörtlicher Behörden an die Öffentlichkeit gelangt ist, noch bevor sich die politischen Gremien damit beschäftigt haben. Vertreter der Fraktionen äußerten sich am Montag skeptisch über eine Routenführung mitten durch ein Wohngebiet, begrüßten aber grundsätzlich die Gesprächsbereitschaft der Regierung von Oberbayern und des Straßenbauamts Freising.

Diese hatten, wie nun bekannt wurde, bereits Ende 2017 eine formale Heraufstufung der alternativen Trasse vorgeschlagen, um im Gegenzug die durchs Brucker Zentrum verlaufende Hauptverkehrsstraße zur Ortsstraße herunterstufen zu können. Dem Entwurf zufolge könnte die B 2 auf Höhe des Schulzentrums Tulpenfeld Richtung Westen abzweigen, am Kloster vorbei und ein Stück die Schöngeisinger Straße hinauf führen und dann westlich über die Landsberger Straße Anschluss finden an die Bundesstraße 471 sowie auf Höhe des Pucher Meers an die gewohnte Bundesstraße Richtung Mammendorf.

Am 8. Januar hatte der Oberbürgermeister die Planskizze den Fraktionsvorsitzenden vorgelegt, seither habe sich "niemand auch nur mit einem Wort geäußert", so Raff vier Tage nach der Bürgerversammlung-West, auf der er wegen der angeblichen Pläne zur Rede gestellt worden war. Dass der Vorschlag publik wurde, wertet Raff als Beleg für die unzureichende Zusammenarbeit im Stadtrat. Aber das sei eben bezeichnend für die Atmosphäre in diesem Gremium.

Die Routenführung ist für Raff "nur eine Idee", die längst noch nicht bedeutet, dass sie realisiert wird. Ziel der Gespräche "quasi im stillen Kämmerlein" unter Beteiligung von Stadt, Straßenbauamt Freising und Regierung von Oberbayern war es, eine Ertüchtigung der maroden Amperbrücke möglicherweise überflüssig zu machen. Denn der Streckenabschnitt Münchner Straße, Hauptstraße und Augsburger Straße könnte im Gegenzug zu einem neuen innerstädtischen Teilabschnitt der B 2 von der Bundesstraße zur Ortsstraße herabgestuft werden.

Nach einem Neubau der Amperbrücke, wie ihn die für Bundesstraßen zuständigen überörtlichen Behörden seit Jahren anmahnen, wäre der Weg für 40-Tonner frei, die zurzeit einen Bogen ums Brucker Zentrum schlagen müssen. So sollte das nach Überzeugung der Stadt auch bleiben, durchsetzen kann sie dies freilich wohl auch mit dem ins Felde geführten Denkmalschutz nicht. Um zumindest teile des Schwerverkehrs weiterhin aus dem Zentrum herauszuhalten, könnte sich Raff die Herabstufung der Inneren Schöngeisinger Straße von einer Staatsstraße auf eine Ortsstraße vorstellen. Dann könnte dort ein Durchfahrtverbot für zu schwere oder zu lange Lastwagen sowie ein Tempolimit erlassen werden. Für die Landsberger Straße könnte er sich auf einer Seite ein Parkverbot und einen Fahrradstreifen vorstellen, offenbar aber keine Bundesstraße - zumal für diese eine durchgehende Vorfahrtsregelung gelten würde und damit auch über eine rein formale Umwidmung hinaus Umbauten erforderlich wären. Eile ist Raff zufolge ohnehin nicht geboten: Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan ist die Variante ebenso wenig enthalten wie der einst von der CSU vorgeschlagene Tunnel im Osten. "Vor 2028 brauchen wir uns gar keine Hoffnungen machen", so Raff.

Der nun diskutierte Vorschlag bringe "nur Unruhe herein", pflichtet der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Hans Schilling bei. Von dem Vorschlag halte er nichts. Und praktikable Alternativen sieht er auch nicht, nachdem der CSU-Vorschlag der sogenannten Deichenstegtrasse per Bürgerentscheid abgelehnt worden ist. Dieses Votum gelte es zu respektieren. Die neue Debatte ändert nach Ansicht Schillings nichts am grundlegenden Dilemma: "Wir bräuchten einen weiteren Amperübergang".

Was halten Sie von einer neuen Verkehrsführung in der Kreisstadt?

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Unbehagen über die ständige Unruhe: Laut und hektisch findet Theresa Urban die Verkehrssituation in der Hauptstraße. Die 24-Jährige ist seit fast drei Jahren Filialleiterin des Bekleidungsgeschäfts "Bonita" und klagt über die "ständige Unruhe". Man könne sich nicht in ein Café setzen, ohne die ganze Zeit "Abgase im Gesicht zu haben". Als großes Problem sieht sie es an, dass es sehr schwierig sei, einen Parkplatz zu finden. Dadurch würden weniger Menschen stehen bleiben, um einzukaufen oder hätten dann beim Einkauf nur sehr wenig Zeit. Eine Verlegung der Bundesstraße wäre für sie "sehr schön". Dadurch würde die Innenstadt ruhiger werden und es würde sich einen schöneres Stadtbild ergeben. Sie erhofft sich eine erhöhte Kundenfrequenz. Wenn die Kunden dann auch noch mehr Zeit hätten, wäre das "ein ganz anderes Einkaufserlebnis".

Zweifel an Eignung der neuen Route

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"Hausgemacht" ist die Problematik laut Britta Korsawe-Kiemer. An den viel befahrenen Straßen seien die Anwohner oft selbst schuld. "Ich bin ja selbst nicht besser", muss die 51-Jährige zugeben. Schließlich hätte sie, die in einer Seitenstraße der Landsberger Straße wohnt, auch mit dem Fahrrad, anstatt mit dem Auto zum Bäcker fahren können. Die neuen Pläne sieht sie äußerst kritisch, "weil man den Verkehr durch ein Wohngebiet legt". In der Vergangenheit hätte sich die Besiedlung immer mehr verdichtet und die Landsberger Straße sei zu einer Wohnstraße geworden. Außerdem bezweifelt sie, dass sich die neue Route besonders gut für eine Bundesstraße eigne. Vor allem die Holzhofstraße sei problematisch. Auch, dass die B2 dann über mehrere Kreisel führen würde, hält sie für keine gute Idee.

Wunsch nach entspanntem Flanieren

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Dimitri Steinke sieht die Verkehrssituation auf der Bundesstraße "stellenweise angespannt" und lässt bei seiner Aussage einiges an Ironie durchscheinen. Der 39-jährige Mann lebt seit 2011 in Fürstenfeldbruck und findet nicht, dass sich seitdem etwas am Verkehr geändert hat. "Immer gleich bleibend", sagt er dazu. Eine Verlegung der Bundesstraße befürwortet er, ohne dass er darüber nachdenken müsse. "Positiv", sagt er dazu wie aus der Pistole geschossen. Dann könne man die Fürstenfeldbrucker Innenstadt endlich wieder wie eine Innenstadt nutzen. "Entspannt flanieren" zu können wünscht er sich beispielsweise, was derzeit aber natürlich nicht möglich sei. Er selbst wohnt in der Nähe des Fliegerhorstes, wo es um einiges ruhiger zugeht, als an der viel befahrenen Kreuzung, neben der er gerade steht.

Plädoyer für eine Umgehung

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"Nicht viel" hält Wolfgang Röhrig von den Plänen der oberbayerischen Regierung. Der 57-Jährige arbeitet für die Kinderhilfe und trinkt in seiner Mittagspause gerne einen Kaffee in der Landsberger Straße. Da findet er es ziemlich angenehm. Die Hauptstraße sei schon "sehr laut", wie er zugeben muss. Auch dort verbringt er gelegentlich seine Mittagspause. Die Verlegung hält er für keine gute Idee. Schließlich wohnen da, wo die neue Bundesstraße verlaufen soll, auch viele Menschen. "Es werden immer Leute genervt", meint er. Sein Lösungsvorschlag ist ein ganz anderer. Ideal wäre eine Umgehung um die Stadt herum. So könnte die alte Bundesstraße B2 dann schließlich entlastet werden. Gleichzeitig würde man den ganzen Verkehr am Ende nicht einfach in einen anderen Fürstenfeldbrucker Stadtteil verlegen.

Glaube an einen Tunnel als einzige Lösung

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(Foto: Voxbrunner Carmen)

Als "verkehrstechnisch problematisch", bewertet Andreas Hofer eine Verlegung der Bundesstraße. Er arbeitet in der Nähe des Waldfriedhofs und hält die Landsberger Straße sowieso schon für stark befahren. Vor allem die Fürstenfelder Straße neben dem Kloster sieht der 58-Jährige als Brennpunkt. "Waren Sie da schon Mal in der Früh oder um 16 Uhr?", fragt er. Eine Änderung der Route würde also keine Verbesserung bedeuten, sondern nur noch mehr Chaos verursachen. Doch er macht sich keine Illusionen, in der Hauptstraße sei der Verkehr ebenfalls sehr schlimm. Die aktuelle Situation stellt ihn also auch nicht zufrieden. Seine Lösung ist eine ganz andere. Man solle ganz Fürstenfeldbruck untergraben und den Verkehr unter die Erde führen. Tunnel sind für ihn die einzige Möglichkeit.

Ein wenig Angst vor dem Überqueren

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"Man ist es so gewohnt", sagt Laura Gawlista zu der dicht befahrenen Fürstenfeldbrucker Hauptstraße. Sie und ihre 46-jährige Mutter Bozena kennen es gar nicht anders. Die 17-Jährige geht in Fürstenfeldbruck zur Schule und verbringt häufig ihre Mittagspause in der Innenstadt. Die beiden Olchingerinnen gehen dort auch gerne in den Geschäften einkaufen. Für die Jugendliche spielt vor allem die Sicherheit eine wichtige Rolle. Man müsse doch immer sehr aufpassen, vor allem, wenn man die Straße überqueren wolle. Auch den Lärm sehen sie als großes Problem und würden sich freuen, wenn er hier im Zentrum der Kreisstadt weniger werden würde. Aber ob eine Verlegung der Bundesstraße wirklich eine Verbesserung der ganzen Situation mit sich bringen würde, da sind sie sich Mutter und Tochter nicht so sicher.

SPD-Fraktionsvorsitzender Philipp Heimerl sieht es etwas differenzierter. Zwar hält auch er den von den Behörden vorgeschlagenen Zickzackkurs für einigermaßen abenteuerlich und kann die Sorgen der Anwohner im Wohngebiet an der Landsberger Straße gut verstehen. Und er hat ebenfalls kein Problem damit, sich Zeit zu lassen mit der öffentlichen Behandlung des Themas bis Mitte Juni - dann tagt der zuständige Fachausschuss. Einer erneuten Grundsatzdebatte um die Verlegung der B 2 aber will er sich nicht verschließen. Und es sei "schön", dass sich das Straßenbauamt nun endlich bewege. An der Rothschwaiger Straße, die die SPD vor einigen Jahren als Alternative vorgeschlagen hatte, will Heimerl nicht mehr festhalten. Er hofft auf die Renaissance des aktuelleren SPD-Vorschlags. Dieser sieht vor, nach dem Passieren des Klosters die Bundesstraße nach links statt nach rechts abbiegen zu lassen und über die Äußere Schöngeisinger Straße an die B 471 anzubinden. Schon heute fahren vor allem Lastwagen diese Strecke. Heimerl dämpft allzu große Sorgen wegen der angeblich drohenden Verkehrslawine. Die meisten Autos würden in Nord-Süd-Richtung weiterhin die kürzeste Verbindung wählen und keinen großen Bogen ums Brucker Zentrum schlagen. Aber den Schwerverkehr könne man mit einer neuen Routenführung wirkungsvoller aus dem Zentrum heraushalten als nach einem Neubau der Amperbrücke. Ebenso wie die BBV hat die SPD bislang noch nicht über den Vorschlag von Regierung und Straßenbauamt diskutiert.

Tommy Beer, Fraktionschef der Brucker Bürgervereinigung, hält eine solche Erörterung mittelfristig und "prinzipiell" durchaus für geboten, könnte sich aber eher die von der SPD ins Spiel gebrachte Variante vorstellen. Auch er hat Verständnis für die Ängste der Anwohner, obwohl "die meisten Autos weiterhin über die Hauptstraße fahren" würden. Dort freilich könne die Stadt dann selbst über den Einbau von Kreisverkehren oder Tempo 30 entscheiden.

Dritte Bürgermeisterin Karin Geißler und Fraktionschef Christian Stangl (beide Grüne) liegen weitgehend mit SPD und BBV auf einer Linie und freuen sich vor allem darüber, dass sich das Straßenbauamt erstmals gesprächsbereit zeigt. Die Streckenführung aber schließen sie noch nachdrücklicher aus: "Das geht gar nicht, die Landsberger Straße darf nicht zur neuen Bundesstraße 2 werden", sagt Geißler. Auch eine lediglich formale Umstufung dieser Straße hält sie für kontraproduktiv, weil ortsunkundige Lastwagen- und Autofahrer, die sich von ihrem Navi leiten lassen, möglicherweise dieser Route folgen würden, auch wenn die länger und zeitintensiver wäre. Der Verkehrsführung über die Äußere Schöngeisinger Straße gegenüber zeigt sich die Dritte Bürgermeisterin aufgeschlossener. Und auch Karin Geißler hält Befürchtungen, es könnte sich von heute auf morgen eine Verkehrslawine durch den Westen wälzen, für übertrieben und beruft sich auf Verkehrsuntersuchungen, denen zufolge etwa 83 Prozent auf dem Brucker Marktplatz kein Durchgangsverkehr, also "hausgemacht" sind. "Die bekommt man auch mit einer anderen Streckenführung gar nicht aus dem Zentrum heraus", so Geißler.

Martin Nell, Sprecher der Regierung von Oberbayern, bestätigte am Montag Gespräche "im Herbst 2017". Dabei seien Lösungsmöglichkeiten zur Herausnahme des Verkehrs und Schwerverkehrs aus dem Stadtzentrum diskutiert worden und es seien die "Randbedingungen für mögliche Umstufungen abgesteckt" worden. Nun müsse sich die Stadt eine Meinung bilden, "beispielsweise im Rahmen eines Verkehrsentwicklungsplans". Die Behörde zeigt sich aber auch aufgeschlossen, Alternativen zu prüfen, so lange diese beispielsweise keine zu großen Umwege erfordern.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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