Umstrittenes Vorhaben:Anwohner wollen Straßennamen behalten

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Pucher Bürger fordern Fürstenfeldbrucks Stadtrat auf, die Umbenennung der Langbehnstraße zu stoppen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Anwohner in der Langbehnstraße im Brucker Ortsteil Puch wollen den Straßennamen behalten. Der Bestseller-Autor aus dem Kaiserreich habe mit den Nazis nichts zu tun, antisemitische Passagen seien von anderen Autoren posthum "verschärft" worden, finden sie. Der Fall werde im Kulturausschuss erneut behandelt, sagte der zweite Bürgermeister Erich Raff (CSU) der SZ. Später soll eine Anwohnerversammlung stattfinden. Der Stadtrat ist gespalten. Vertreter der BBV verteidigen den Straßenpatron, die Kulturreferentin und Historikerin Birgitta Klemenz (CSU) plädiert für eine Änderung.

Der Kulturausschuss hatte im März 2015 beschlossen, die Straße nicht mehr Julius Langbehn zu widmen, der in der wissenschaftlichen Literatur als Rassist und Antisemit gilt. Das sorgte auf der Bürgerversammlung in Puch im November für erregte Debatten. Am Ende des Monats ging ein Antrag im Rathaus ein, in dem über 100 Anwohner fordern, die Umbenennung zu stoppen. Die Initiatoren, darunter Petra Grimm und Liane Schmiedl, wollten sich in der SZ dazu nicht äußern. In dem Antrag heißt es, Langbehn sei 1907 gestorben und keine Person aus der Zeit des NS-Regimes. Als Beleg dienen Ausführungen von Klaus Heinsius, einem Brucker Bürger, der allerdings kein Historiker ist.

"Das ist kein Gutachten, sondern meine Meinung. Ich habe das aus Verbundenheit zu Puch und meinem Land geschrieben", erklärte Heinsius der SZ. Er wolle sich auch gar nicht wissenschaftlich mit Langbehn beschäftigen. Heinsius sagt, die Stadtverwaltung habe nicht geantwortet und sein Papier sei nicht an den Stadtrat verteilt worden: "Das wird unter den Tisch gekehrt." Die Kritik an Langbehn findet er "übertrieben". Der sei kein Kriegsverbrecher gewesen und habe keinen großen Einfluss ausgeübt. Antisemitische Äußerungen gebe es schon von Langbehn, räumt er ein, aber "so wie bei vielen anderen". Es sei eben eine andere Zeit gewesen und kein Grund, das Gedenken an Langbehn "auszulöschen", das in Puch gepflegt werde.

Ähnlich argumentieren zwei BBV-Stadträte, die in der Langbehnstraße wohnen. Willy Dräxler meint, die Vorwürfe seien "zu weit hergeholt", weil Langbehn "lange vor der Nazizeit" gestorben sei. Dessen Rassismus würde zwar "heute nicht mehr durchgehen, aber damals war das völlig normal". Auch sein Fraktionskollege Hardy Baumann findet, man könne Langbehn "nicht direkt" mit den Nazis in Verbindung bringen, weil er früher aufgetreten sei. "Ich will die Vorläufer nicht ignorieren, aber man muss einen Schlussstrich ziehen", sagte er.

Langbehn sei ein Anhänger von Edigna gewesen, "er gehört zu Puch", erklärt Dräxler, der die Initiative "Bruck ist bunt statt braun" mit initiiert hat. Der Legende nach war Edigna eine französische Königstochter, die im Mittelalter als Einsiedlerin in Puch lebte und seither als Heilige verehrt wird. Langbehn konvertierte spät zum Katholizismus und liegt auf dem Pucher Friedhof neben der Edigna-Linde begraben. Dräxler hat den Antrag der Anwohner unterschrieben, Baumann nicht.

Die Kulturreferentin Klemenz kann die Argumente ihrer BBV-Kollegen nicht nachvollziehen. Die Bedeutung Langbehns für den Nationalsozialismus stehe fest. Den Verweis auf die Zeitumstände lässt sie nicht gelten. Ihn als Straßenpatron zu ehren, bedeute jene zu missachten, die damals gegen den Antisemitismus kämpften. Die CSU-Stadträtin bedauerte, dass manche Stadträte nun "zurückrudern". Sowohl der Arbeitskreis, der sich mit belasteten Namensgebern beschäftigt hatte, als auch der Kultur- und Werkausschuss hatten sich einstimmig gegen Langbehn ausgesprochen. "Wir sind nun mitten in einer Grundsatzdiskussion. Ich hoffe, sie wird auch geführt", sagte Klemenz.

Mit seinem Buch "Rembrandt als Erzieher" gelang Langbehn 1890 ein Bestseller, der eine Auflage von 100 000 Exemplaren erreichte. Bis in die Dreißigerjahre wurde das Werk gelesen, sagt Konrad Lotter, der sich mit dessen Kunstverständnis beschäftigt hat. Er ist Philosoph und war Dozent am Institut für allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität in München. "Langbehn verfocht eine rassistische Idee von Kunst. Von einer niederdeutschen Rasse sollte die Wiedergeburt der Deutschen ausgehen", erklärte er.

Antisemitische Passagen in dem Bestseller habe Langbehn ausgeweitet und zunehmend aggressiver formuliert. "Er ist ein Vorläufer des Faschismus, er hat den Boden bereitet, daran gibt es keinen Zweifel", sagt Lotter.

Bürgermeister Raff sagte, er habe den Initiatoren den Eingang ihres Antrags per E-Mail bestätigt und einem Anwohner die Problematik erläutert mit der Bitte, die Nachbarn zu informieren. Der Kulturausschuss werde sich am 17. März mit dem Thema befassen: Die Kosten einer Umbenennung müssten geklärt werden und wie die Straße künftig heißen soll. Raff plädiert wie die BBV-Räte Baumann und Dräxler dafür, eine Tafel mit Informationen über Langbehn aufzustellen. Baumann findet, das sei "besser als ausmerzen".

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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