Traditionsfirma:Nachfolge in der Bäckerei

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Nadja und Martin Reicherzer aus Gröbenzell übernehmen den Familienbetrieb Bücherl am Brucker Marktplatz

Von Dirk Kreutzburg, Fürstenfeldbruck

Wilhelm Bücherl steht in dem kleinen grünen Haus am Marktplatz hinter dem Tresen. Am frühen Nachmittag hat er bereits einen langen Arbeitstag hinter sich, vor allem aber eine lange Arbeitsnacht. Denn Bäcker sind Frühaufsteher. Und weil die Leute morgens frische Semmeln und Brot haben wollen und die sich nicht selbst in den Backofen schieben, stehen auf dem Nachttisch der Bücherl drei Wecker. Am 31. März, einem Samstag, kann der Nachttisch abgerüstet werden. Dann wird die Bäckerei Bücherl, weithin bekannt für ihre Brezen, dicht machen und unter einem anderen Namen wiedereröffnet werden.

Wilhelm Bücherl, 62, ist ein schlanker, bisweilen wortkarger Mann. Aber er sieht dem Monatsende mit einem mulmigen Gefühl entgegen, das lässt sich an dem schmalen Gesicht mit der rahmenlosen Brille ablesen. Freude über den bevorstehenden Ruhestand paart sich mit einer Prise Wehmut. Mitte April werden die Gröbenzeller Nadja und Martin Reicherzer das Bücherl übernehmen. Die beiden sind zu Besuch gekommen. Man versteht sich, man schätzt sich. Vor allem sind die Bücherls froh, dass sie überhaupt jemanden gefunden haben, der ihren Betrieb übernimmt. Denn wer will heute noch einen solchen Knochenjob machen, wer will um 22.45 Uhr von drei Weckern aus dem Schlaf gerissen werden und vormittags oder auch nachmittags, wenn andere Feierabend haben, ins Bett gehen? Wer sieht unter all den gefrorenen Teiglingen, die im Supermarkt nebenan in die Backautomaten geschoben werden, noch den angeblich goldenen Boden eines Handwerks? Offenbar nicht viele, denn den Bäckern gehen die Facharbeiter aus und die Auszubildenden sowieso. Erst vor zwei Jahren hatte mit der Bäckerei von Evi und Werner Buchauer, gleich um die Ecke an der Schöngeisinger Straße, einer der wenigen noch verbliebenen eigenständigen Betriebe ultimativ dicht gemacht - nach 90 Jahren in Familienhand. Denn als sich die Buchauers zur Ruhe setzten, fanden sie keine Nachfolger.

Wilhelm und Elisabeth Bücherl (von links) gehen in den Ruhestand und übergeben Ende März an Nadja und Martin Reicherzer aus Gröbenzell. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vor diesen Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass "der Bücherl" das Ende der Fahnenstange erreicht hat, dass nun die letzte der fünf Generationen aus Altersgründen abtritt. Angefangen hatte alles 1864. In den Dreißigerjahren war der damaligen "Bäckerei Huber" noch im gleichen Gebäude ein Milchgeschäft angeschlossen. Als 1960 Wilhelm Bücherls Eltern einstiegen, erhielt die Bäckerei ihren heutigen Namen.

28 Jahre waren Elisabeth und Wilhelm Bücherl so etwas wie eine Institution. In Bruck kamen und gingen die Bürgermeister oder später Oberbürgermeister, um sie herum gingen die kleinen Geschäfte und es kamen die Filialen von Optikern oder von Drogeriemärkten. Im Bücherl aber wurden unbeirrt die Brezen über die Theke gereicht. Noch am Vortag hatte Elisabeth Bücherl die heiße Schokolade in die Osterhasen-Formen gegossen, so wie immer Anfang März.

Ein Jahr nachdem Wilhelm Bücherl die Bäckerei 1990 von seinem Vater übernommen hatte, absolvierte die heute 52-jährige Elisabeth bei ihm eine Ausbildung als Konditorin - eher "aus der Not heraus", wie sie sagt. Denn schon damals war es schwer, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu finden. Und doch war es all die Jahre letztlich auch eine Herzensangelegenheit. Einen "Bleistiftspitzerjob" habe er nie machen wollen, sagt Wilhelm Bücherl und lacht.

Die traditionsreiche Familienbäckerei an der Hauptstraße in Fürstenfeldbruck wird weiter bestehen. (Foto: Günther Reger)

Was nun? Kommt nun das buchstäbliche schwarze Loch, in das Ruheständler nach zeitraubenden Berufskarrieren zu fallen drohen? Die Bücherls glauben das nicht. Es gibt so viele Dinge, für die bislang schlicht die Zeit fehlte. So freuen sie sich auf gemeinsamen Radltouren an den Ammersee oder auf die Lektüre eines guten Buchs. Und da gibt es auch noch den Wallach Tyson, den Elisabeth Bücherl nun endlich öfters satteln kann.

Es sind große Fußspuren, in die nun die beiden Nachfolger aus Gröbenzell steigen. Auch Martin Reicherzer, 50, und seine Frau Nadja, 51, freilich schätzen das traditionelle Handwerk. Und sie wissen um den Ruf der Bücherl-Brezen, die sie weiterhin nach bewährtem Rezept backen wollen. Die Eltern dreier Söhne wollen am Dienstag, 10. April, nach einem kleinen Umbau unter ihrem Namen dann die Bäckerei eröffnen.

Die fünf Mitarbeiter der Bücherls werden übernommen, komplettiert wird das wachsende Team dann durch die sieben Mitarbeiter, die von dem Ende März schließenden Stammbetrieb an der Eschenrieder Straße in Gröbenzell mitkommen. Dort hatte es Probleme mit dem Vermieter gegeben. Die Reicherzers hoffen, dass sie auch noch bis zum September einen motivierten und geeigneten Auszubildenden finden.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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