Theateraufführung:Mörderische Altenpflegerinnen

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Die Neue Bühne Bruck zeigt Theresia Walser böse Groteske "King Kongs Töchter". Die Inszenierung von Philipp Jescheck ruft beim Zuschauer eine Ambivalenz von Spaß und Schuldgefühl hervor

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Grace Kelly stürzte mit ihrem Auto dort in die Tiefe, wo Teile ihres Hitchcock-Hits "Über den Dächern von Nizza" gedreht wurden. Für Marilyn Monroes Schlafmittel-Tod macht man wahlweise die CIA oder die Mafia verantwortlich. Romy Schneider starb ein Jahr nach ihrem Sohn, wie man sagt, an gebrochenem Herzen. Das Ableben der großen Hollywood-Diven ist oft ebenso extravagant wie ihr Leben. Ein bisschen von diesem Spektakel wünschen sich auch Berta, Carla und Meggie in ihrem Dasein. Doch statt ihre eigenen Existenzen zu etwas Besonderem zu machen, inszenieren die drei frustrierten Altenpflegerinnen glamouröse Tode für ihre Schützlinge.

Was ähnlich absurd klingt, wie ein von Unwahrscheinlichkeiten strotzender Kinofilm, ist keine Erfindung für die Bühne. Die Dramatikerin Theresia Walser hat für ihr Schauspiel "King Kongs Töchter" einen realen Mordfall adaptiert. Walser ist ebenfalls gelernte Altenpflegerin und hat vor ihrer Theaterkarriere kurzzeitig in der Branche gearbeitet. Sie weiß gewiss, wie es sein kann, Fäkalien vom Boden zu wischen und hilflose Menschen beim Sterben zu begleiten. Ob Philipp Jescheck, der mittlerweile so etwas wie der Hausregisseur der Neuen Bühne Bruck geworden ist, das weiß, ist nicht bekannt. Doch seine Inszenierung von Walsers Groteske geht so nahe und hinterlässt ein solch beklemmendes Gefühl, als leere er den Alten selbst jeden Morgen das Nachtgeschirr.

Tina Schmiedel spielt Berta. Sie ist das düstere Zentrum des Komplotts, mit Augen, die so unterkühlt dreinblicken als stecke dahinter nichts als Bosheit. Ihr gezwungenes Lächeln verspricht: Du kommst auch noch dran. Silvie Stollenwerks Carla wirkt wie vom Wahnsinn getrieben, ausgelöst durch einen Alltag voller zerbröckelter Illusionen. Wo Berta still und berechnend ist, ist Carla laut und ungezügelt. Jedes Mal, wenn durch ihre Hand jemand stirbt, sagt sie, fühle sie sich für eine kurze Zeit unsterblich. Während die beiden sich mit ihrem Schicksal im Altenheim abgefunden zu haben scheinen, sieht Meggie, gespielt von Lisa Drothler, das Pflegerdasein als Übergangssituation und ergeht sich in Träumen von einer goldenen Zukunft.

Das Zusammenspiel der drei Frauen schwankt zwischen Homo- und Autoerotik. Durch ihre Mordfantasien steigern sie sich in eine gemeinsame Erregung. Sex, wie das Töten, ist in Jeschecks Inszenierung die temporäre Flucht aus einem deprimierenden Dasein. Deswegen projiziert Carla ihre Gelüste auf Berta. Deswegen lässt sich die sonst vom Alter angeekelte Meggie auf erotische Spiele mit einem zahnlosen Senior ein. Und deswegen grenzt die Verführung des Herumtreibers Rolfi an eine Vergewaltigung. Hagen Ullmann ist als Rolfi ebenso machtlos gegen die lusthungrigen Frauen wie die Alten, an deren Tod sie sich aufgeilen. Ullmann eng umschlungen von Schmiedel und Stollenwerk, eine vor Sinnlichkeit knisternde Drothler als Herrin über den beschämend zerbrechlich wirkenden Walter Cordier: Das sind intensive Szenen, in denen Sex, Gewalt, Macht und Tod zu einer unangenehmen Einheit verschmelzen.

Mit Rolfi zur Sache kommen, möchte auch Greti, gespielt von Ellen Kießling-Kretz. Die lustige Lüsternheit der alten Frau ist eigentlich traurig. Ebenso wenig zu lachen gibt es über die zunehmend in eine demente Wunschwelt abdriftende Hilde und deren resignierten Ehemann oder über einen immer denselben Satz wiederholenden Greis. Man tut es trotzdem immer wieder und fühlt sich schlecht dabei. Diese Mischung aus Spaß und Schuldgefühl, gepaart mit einer Portion Verdrängung, ist das Brillante an dem, was Jescheck und seine Darsteller aus Walsers Stück gemacht haben.

Jeder der Bewohner geht mit dem Altern anders um, aber keiner kommt damit klar. Sterben möchte jedoch auch die stumme und bewegungsunfähige Pflegebedürftige nicht, die das mörderische Trio für ihren letzten Auftritt stylt. Schlecht wird einem, wenn man sieht, wie die drei Frauen ihr Werk mit rotem Lippenstift und Lockenperücke in Position rücken. Ja, Übelkeit erregend ist diese Skrupel- und Respektlosigkeit. Doch dann kommt wieder so ein Spruch. Und man muss schon wieder lachen.

Weitere Aufführungen am Freitag, 2. Dezember, 20 Uhr und am Sonntag, 4. Dezember, 19 Uhr

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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