SZ-Serie "Älter werden - alt sein":Doppelter Nutzen durch flache Bordsteine

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Seniorenbeiräte stehen Politik und Verwaltung zur Seite, um sie für die Bedürfnisse älterer Menschen zu sensibilisieren. Und sei es bei der Straßenplanung, von der auch Eltern mit Kinderwagen profitieren

Von Manfred Amann, Fürstenfeldbruck

Würdig altern, am liebsten im gewohnten Umfeld, ist der sehnlichste Wunsch älterer Menschen. Nur wenn es gar nicht mehr geht, wollen Senioren in ein Heim mit Pflege rund um die Uhr. Die Zahl derer, die sich rechtzeitig für einen Umzug in ein Haus mit betreutem Wohnen entscheiden, hält sich auch in Grenzen. Da die Menschen immer älter werden und auch weniger junge Leute nachkommen, nimmt der Anteil der Senioren in den meisten Kommunen zu. Erhebungen des Statistischen Landesamtes zufolge sind derzeit etwa 28 Prozent der Menschen im Landkreis älter als 60 Jahre und bis 2030 wird es ein Drittel sein. Länger zu leben, ist eigentlich eine erfreuliche Entwicklung, doch auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Kommunen, die bei allen Planungen, sei es beim Straßen- und Siedlungsbau, bei der Gestaltung von Erholungsräumen, der Ansiedlung von Ärzten, der Sicherstellung der Nahversorgung, aber auch bei der Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten daran denken müssen, dass Rentner und Ruheständler mit oder ohne Handicap am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen. Eine große Hilfe, dabei die richtigen Entscheidungen zu treffen, sind Seniorenbeiräte.

Als "Bindeglied zwischen Gemeindepolitikern und der Altersgruppe" sind sie beratend tätig und auch eine Art Vermittlungsorgan der Kommune. Nach einer Forderung des Arbeitskreises der Seniorenbeiräte im Landkreis sollte es in jeder Kommune einen solchen Beirat geben. Im dicht besiedelten Osten können bereits alle Kommunen bis auf Olching auf die Unterstützung eines Beirats bauen, in der ländlichen Region indes gibt es noch "etliche weiße Flecken". Ein Landkreis-Seniorenbeirat berät zusätzlich den Kreistag sowie Ämter und Behörden und kümmert sich um eine überörtliche Koordination. Der jüngste Beirat wird derzeit in Schöngeising aus der Taufe gehoben.

Harald Hengesbach, der seit dem Jahr 2000 in Gröbenzell aktiv ist, glaubt, dass mittelfristig auch kleine Dörfer nicht mehr ohne Seniorenvertretung auskommen werden, wenn Bürgermeister und Gemeinderäte wollen, dass der Wohnort auch für die größer werdende Zielgruppe attraktiv bleibt. Dass manchenorts noch kein Beirat existiert, liege daran, dass sich niemand finde, der seine Ruhestandszeit für eine ehrenamtliche, gemeinnützige Tätigkeit opfern wolle, so Hengesbach. Er rät den kleineren Kommunen, über ihre Verwaltungsgemeinschaft die Gründung einer überörtlichen Seniorenvertretung anzustreben.

Als Vorreiter und Vorbild im westlichen Landkreis gilt der Allinger Seniorenbeirat, der schon bei den Gründungen in Emmering und zuletzt in Grafrath Pate stand. "In Alling sind für eine effektive Arbeit alle wesentlichen Voraussetzungen optimal", findet Peter Gaja, der als langjähriger Vorsitzender auf eine erfolgreiche Bilanz verweisen kann. Man pflege ein sehr gutes Verhältnis zur Gemeinde und deren Mitarbeitern, zum örtlichen Allgemein-Arzt, zur Nachbarschaftshilfe, zum Senioren-Club der Kirche unter und ergänze sich so gegenseitig. Als Beispiele nennt der 70-Jährige das Aufstellen und die Pflege von etwa eineinhalb Dutzend Sitzbänken an Stellen mit schönem Ausblick, die gefragten PC-Kurse, den Senioren-Sport sowie den "Kümmerdienst", der sofort zur Stelle ist, wenn es um kleine Erledigungen oder einen Fahrdienst über kurze Strecken zum Arzt oder auch zum Einkaufen geht. Entscheidend sei aber, dass der Seniorenbeirat mittlerweile als wichtige Institution anerkannt sei, im Ort bestens vernetzt sei und in alle gemeindlichen Planungen eingebunden werde. "Wenn wir eine Bordsteinabsenkung anregen, dann kommt das auch Müttern mit Kinderwagen entgegen" erklärt Gaja. Daher hält er es auch für sinnvoll, dass, wie zum Beispiel in Grafrath und in Emmering, der Seniorenbeirat "Schwachstellen der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum" dokumentiert und auf deren Beseitigung dringt. Allings Vorsitzender Gaja sieht seinen Beirat auch überörtlich bestens vernetzt und hofft sehr, dass darüber hinaus die Verbindungen im Landkreis noch engmaschiger werden. Als ehemaliger Mitarbeiter einer sozialen Einrichtung hat der Vorsitzende gute Kontakte, er gehört dem Seniorenbeirat des Landkreises an und hat am seniorenpolitischen Gesamtkonzept des Kreises sowie bei der Entwicklung der Notfallmappe mitgewirkt.

Auch Harald Hengesbach hat sich dabei eingebracht und ist ein wenig enttäuscht, dass eine Vielzahl älterer Menschen von diesem sehr hilfreichen Werk keine Kenntnis, aber auch zu altersspezifischen Fragen kaum eine Meinung hat. "Offensichtlich kommt man über Informationsmaterial an viele Senioren nicht heran und kann erst durch den persönlichen Kontakt Aufmerksamkeit erreichen", führt er an und weist darauf hin, dass man Kontakte am besten bei Vorträgen und Veranstaltungen "wie unsere Wanderungen" knüpfen kann. Daher habe sich der Seniorenbeirat Gröbenzell dafür eingesetzt, dass Bürgerversammlungen für Senioren nicht im Zweijahresrhythmus, sondern jährlich stattfinden, denn dazu kämen meist an die 70 Leute. In einem kleinen Dorf, wo man sich kenne, sei die Einbindung von Senioren sicher einfacher als in einer Großgemeinde und ein Seniorenbeirat könne mehr selbst aktive Hilfe leisten und gestalten, meint der Mittsiebziger. Gaja führt dazu an, dass gerade die Nähe, die Vertrautheit auch die Gefahr berge, in Familienzwistigkeiten oder Erbstreitigen hineingezogen zu werden und man daher "eine klare Grenze" setzen müsse. Hengesbach weist überdies darauf hin, dass sich seine Seniorenvertretung neben der Beratung der Gemeinde und der Interessenvertretung dafür mehr den Vermittlungen zu öffentlichen Hilfestellen und Senioreneinrichtungen widmen müsse. In Gröbenzell sei auch ein eigener Arbeitskreis "Leben ohne Barrieren" aktiv, um mithelfen zu können, dass zum Beispiel die Barrierefreiheit im Rahmen der Umgestaltung der Ortsmitte oder des Bahnhofsbereichs möglichst optimal wird.

Hengesbach ist sich aber auch sicher, dass Seniorenarbeit als langwieriger, aber lohnender Prozess zu verstehen ist, in dem auch berücksichtigt werden sollte, dass meist alte Menschen, selbst Betroffene sozusagen, als ehrenamtliche Berater aktiv sind, und kaum jüngere nachkommen. Um eine gewisse Balance zu erreichen und um das Aufkommen von Argwohn zu vermeiden, weil augenscheinlich derzeit den Alten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, wären auch Jugendbeiräte eine große Hilfe, diese seien aber eher im Auslaufen. Die Gefahr eines "Jung-Alt-Konfliktes" sehen aber weder Hengesbach noch Gaja.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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