Suche nach Zeugen:Eine Sammlung von Erinnerungen

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Der Historische Verein sucht weiterhin nach Zeitzeugen für Interviews zur Geschichte des Fliegerhorstes

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Geschichte ist schnell aus dem Blick verschwunden und damit noch schneller bereits vergessen. Jahrzehntelang geht man an einem alten Gebäude vorbei, eines morgens gähnt an seiner Stelle ein Loch - und bereits in diesem Moment ist die Erinnerung daran, wie das Haus eigentlich ausgesehen und was es beherbergt hat, verloschen. Was in einer Straße mit dem Abriss eines altehrwürdigen Hauses geschieht, vollzieht sich natürlich in einem noch viel stärkerem Ausmaß, wenn es sich um ein größeres Gelände handelt - wie den ehemaligen Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck. Dieses 250 Hektar große Areal am Rande der Kreisstadt wird bekanntlich in wenigen Jahren vollständig von der Bundeswehr aufgegeben und einer zivilen Nachfolgenutzung übergeben. Damit diese die Stadt über bald ein Jahrhundert hinweg mit prägende Einrichtung im Gedächtnis möglichst lebendig erhalten wird, sucht der Historische Verein Fürstenfeldbruck seit Monaten nach Zeitzeugen und befragt sie: "Es ist höchste Zeit, die Erinnerung der Erlebnisgeneration sicherzustellen", sagt Vorsitzende Anna Ulrike Bergheim zur Intension.

Im Mai vergangenen Jahres hat man mit dieser geschichtswissenschaftlichen Methode begonnen und dabei bis heute eine gute Resonanz erzielt. Zwischen 60 und 70 Menschen hätten sich damals auf den Aufruf hin gemeldet, 15 seien bisher interviewt worden, so Bergheim. Die ersten aufgenommenen Interviews seien bereits transkribiert - "ein irrsinniger Aufwand" - und an das Brucker Stadtarchiv übergeben worden. Um was es dem Verein geht, formuliert die Vereinsvorsitzende so: "Wir sammeln Geschichte, die die Bundeswehr hinterher in ihrer Geschichte nicht aufschreibt. Das sind die kleinen Alltagsgeschichten." Bergheim nennt beispielhaft ihren "Lieblingszeitzeugen". Bei ihm handelt es sich um einen Mann aus Maisach, der seit Jahrzehnten jede Woche zum Friseur auf dem Fliegerhorst geht.

Auf vier bis fünf Jahre schätzt Bergheim die Dauer dieses Projektes. Dieses am Laufen zu halten, sei nicht leicht. Zum einen müssen die Interviewer natürlich geschult werden. Etwa in der Form der Fragestellung, um eben die Erinnerung des Zeitzeugens möglichst vollständig dokumentieren zu können. Und dann sollte man natürlich selbst über den Fliegerhorst Bescheid wissen. So, dass dort 1936 das NS-Regime die größte Luftkriegsschule im Deutschen Reich eröffnet hat; nach dem Zweiten Weltkrieg die US-Armee den Fliegerhorst übernahm; von 1956 an die ersten deutschen Piloten ausgebildet wurden und man deshalb von der "Wiege der Luftwaffe" spricht; dass ein Jahr darauf die Luftwaffe Hausherr von "Fursty" wurde; und natürlich dass dort 1972 während der Olympischen Sommerspiele die Befreiung der israelischen Athleten misslang und Todesopfer forderte.

Gerade auf das letztgenannte historische Ereignis werde die Stadt wie der Landkreis oft verengt, weiß die Vereinsvorsitzende: "Den meisten Menschen fällt zu Fürstenfeldbruck nur das Olympia-Attentat ein", lautet die Erfahrung von Bergheim. Wer zu den Ereignissen rund um den gescheiterten Befreiungsversuch etwas beitragen kann und will, aber auch zu anderen Geschehnissen im Laufe der durchaus wechselvollen Geschichte des Brucker Fliegerhorstes kann sich an den Historischen Verein unter der Telefonnummer 08141/51 92 24 wenden: "Wenn sich noch Zeitzeugen melden, sind wir glücklich", sagt die Vereinsvorsitzende, die zudem versichert: Alle an diesem Projekt Beteiligten würden darauf achten, dass die Interviews "auf Augenhöhe und mit hoher Wertschätzung" für die Mitmenschen stattfänden, die sich bereit erklärten, ihre Erinnerungen der Nachwelt zu erzählen. Und damit beitragen, dass Geschichte dauerhaft im Blickfeld bleibt.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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