Seltsame Versammlung:Brucker Sonnenkönig

Lesezeit: 3 min

Jakob Ettner sagt als SCF-Präsident Neuwahlen mit Verweis auf die Satzung ab. Und manche müssen vor der Tür bleiben - Bilanz eines bizarren Abends

Von Heike A. Batzer

Ein bisschen war es wie in der Kindergartenzeit. Jetzt sollten alle noch mal aufs WC gehen, fordert Jakob Ettner die Versammelten gegen 19.45 Uhr auf, denn nun gehe es gleich los. Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung beginnt am Donnerstag die Jahreshauptversammlung des von der Insolvenz bedrohten SC Fürstenfeldbruck. Derweil stehen draußen noch ein bis zwei Dutzend Leute, die hinein wollen, aber nicht dürfen. Sie sind nach Einschätzung der Vereinsführung keine ordnungsgemäßen Mitglieder. Die Leute vom Sicherheitsdienst sind streng bei der Einlasskontrolle, vergleichen auf einer Liste, wer Zutritt bekommt. Der SCF hatte zuvor noch die Türschlösser am Gebäude austauschen lassen. Etwa 90 Mitglieder dürfen schließlich in die Sportgaststätte.

Durch die große Fensterfront des Stüberls richten jene ihre Blicke nach drinnen, die ausgesperrt bleiben. Zu ihnen zählen Ehrenpräsident Albrecht Huber, der ehemalige Ehrenpräsident Hans Hahn, der Leiter der kürzlich von der Vereinsführung aufgelösten Altherren-Fußballabteilung Alte Liga, Gerhard Knöchel, die ehemaligen Vorstandsmitglieder Lutzeier, Demmer, Mühlberger, di Gorga, Conrad sowie einige langjährige Alte-Liga-Mitglieder, die ihren Vereinsausschluss als Brief in Händen halten. Empörung macht sich breit. Später werden die draußen Versammelten so laut "Ettner raus" skandieren, dass es drinnen zu hören ist.

Ausgesperrte SCF-Mitglieder beim Verfolgen der Versammlung. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Im Kern geht es um die Frage: Wer ist eigentlich SCF-Mitglied? Einen genauen Überblick hat offenbar niemand, denn nicht alle Alte-Liga-Mitglieder sollen dem Vernehmen nach auch Mitglieder im Hauptverein sein. Laut Statistik des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) hatte der SCF Ende vorigen Jahres 384 Mitglieder, drei Monate später nur noch 260. Alte-Liga-Leiter Knöchel soll im Hinblick auf die Versammlung - wo eine Opposition aus dem Alte-Liga-Umfeld zur Wahl antreten wollte - zuletzt noch weitere Mitglieder aufgenommen haben, das darf er zumindest laut Vereinssatzung: "Über die Aufnahme als Mitglied entscheidet die jeweilige Abteilungsleitung", heißt es dort. Beim BLSV-Rechtsservice, den Vereine um Rat fragen können, ist man der Auffassung, dass dies grundsätzlich möglich ist, wenn die Satzung dies so regelt. Aber eigentlich wurde die Altherrenabteilung doch vor kurzem aufgelöst. Was nun? SCF-Vizepräsidentin Ursula Valier ist nach juristischer Beratung zu dem Schluss gekommen, dass über die Aufnahme von Außenstehenden - dazu zählen potenzielle Neumitglieder - nur jenes Vereinsorgan befinden könne, das im Vereinsregister als Vertreter eingetragen ist: in diesem Fall das Präsidium, also Ettner und Valier.

In der SCF-Satzung steht auch: "Ein Aufnahmeanspruch besteht nicht." Die Vereinssatzung wird Ettner später noch einmal quasi als eine Art Kronzeugin anführen: Als er zur Überraschung der Anwesenden mitteilt, dass es nicht zu Neuwahlen kommen werde. Die Satzung sei hier nicht eindeutig. Wörtlich heißt es: "Die Amtszeit beträgt grundsätzlich zwei Jahre. Die Vorstandschaft ist im Amt bis zu den nächsten Neuwahlen durch die Mitgliederversammlung." Die Satzung stammt aus dem Jahr 1961 und wurde zuletzt bei der Jahreshauptversammlung 2014 geändert, bei der Ettner erstmals zum SCF-Präsidenten gewählt wurde. Ettner teilt den Versammelten in apodiktischem Ton mit: "Wir bleiben im Amt, so ist es ganz einfach!" Im Raum beginnt es zu rumoren, die Anwesenden werden unruhig, wirken irritiert und unzufrieden. Thomas Griesgraber sitzt derweil an einem Tisch hinten im Raum. Der 45-Jährige wollte mit einem eigenen Team den Herausforderer von Ettner geben. "Wir wollten fair antreten", wird er später draußen sagen. Und: "Wir wollten vorwärts schauen." Man müsse nun das Geschehene erst mal "sacken lassen".

Jakob Ettner bleibt Präsident. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Verdutzte Gesichter im Saal. Einer im Publikum will wissen, was der anwesende Oberbürgermeister Erich Raff dazu sagt. Der windet sich ein wenig und sagt dann: "In gewisser Weise hat Jakob Ettner recht." Der Fragesteller wird konkreter, er wolle seine Meinung dazu wissen. "Ich halte mich mit meiner Meinung raus", antwortet Raff. Dabei hatte der OB zur Rettung des von der Insolvenz bedrohten SCF ein städtisches Darlehen über 30 000 Euro zugesagt, dessen Rückzahlung, so hat es Ettner zuvor erzählt, auch mit der Arbeitsleistung von Mitgliedern abgegolten werden dürfe. Der Betrag ist Teil einer Summe, die als Grundlage dient für Vergleichsverhandlungen mit den Gläubigern, um die Insolvenzeröffnung abzuwenden.

Es ist ein bizarrer Abend, der Versammlungsverlauf hat formale Mängel. Auf der Einladung sei von Wahlen der "Vereinsführung" die Rede, in der Satzung aber fänden sich nur die Begriffe "Präsidium" und "Vorstand", sagt BLSV-Kreisvorsitzender Steffen Enzmann der SZ. Nicht alle Tagesordnungspunkte wurden abgearbeitet, auch wurde zu Beginn der Versammlung nicht danach gefragt, ob alle mit der Tagesordnung einverstanden sind. Stefan Knöchel, Sohn des ehemaligen Alte-Liga-Leiters, fordert die Möglichkeit ein, die Versammlung über den Ausschluss von Mitgliedern abstimmen zu lassen. Jakob Ettner bügelt den Einwand wenig versöhnlich ab: "Das ist deine subjektive Meinung. Die Leute werden draußen bleiben!" Es bliebe ja der Klageweg. Einem Sonnenkönig gleich betont der SCF-Chef, was "ich alles bewege, um den Verein am Leben zu erhalten". Er wisse: "Es ist hart für viele, was der Präsident hier durchzieht. Aber der Sumpf der Alten Liga wird gnadenlos aufgeräumt." "Pfui"-Rufe aus dem Publikum. Marlon Cecic, SCF-Präsident von 2008 bis 2010, meldet sich noch zu Wort: "Das ist unser Verein, nicht der einer Person."

Thomas Griesgraber wollte den Präsidenten herausfordern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Finanzielle Eigentümlichkeiten, die sich in der Vergangenheit des Vereins finden lassen, spricht Ettner auch an, mal konkret, mal verklausuliert. Der Ton an diesem Abend bleibt auf allen Seiten feindselig, und mancher stellt sich die Frage, ob so tatsächlich ein Vereinsleben aussieht. Ettner betont, sein Ziel sei, "den Verein sauber zu bekommen und den Weg weiterzugehen". Später lässt er sich vom Sicherheitsdienst zu seinem Auto begleiten.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: