Rekrut bei der Bundeswehr:Schneller als der Schall

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In Olching war er der Einzige seines Abi-Jahrgangs, der zur Bundeswehr gegangen ist. Nils Heißenberg hat in Fursty mit der Pilotenausbildung begonnen. Er will seinen großen Traum verwirklichen und Düsenjäger fliegen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Bundeswehr? Am Olchinger Gymnasium war das eigentlich kein Thema. Nach dem Abi ließen Nils Heißenbergs Mitschüler die Schule hinter sich und genossen erst mal die Freiheit. Reisen, ausschlafen, Vorfreude aufs Studentenleben. Der 20-Jährige sitzt im Offiziersheim, in Tarnfleck, mit blitzblanken schwarzen Schuhen. Die Schulterstücke weisen ihn als Obergefreiten und Offiziersanwärter aus. Das Abzeichen der vierten Inspektion, per Klettverbindung am Oberarm befestigt, hat er sich verdienen müssen bei einem Bergmarsch. Der schmächtig wirkende Blondschopf erzählt, warum ausgerechnet er, als einziger seines Abiturjahrgangs, zur Bundeswehr gegangen ist. Heißenberg will Kampfjets fliegen. Und er ist auf dem besten Weg, sich diesen Traum zu erfüllen.

An der Ecke von "Fursty", dem Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck, hängt ein Transparent mit der Aufschrift: "Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst." Wie haben Freunde und Familie die Entscheidung aufgenommen, Soldat zu werden? "Ach", sagt Heißenberg, "die Freunde fanden es eigentlich ganz cool, und meine Eltern haben mich auch unterstützt". Wohl auch deshalb, weil nur die Besten überhaupt Kampfpiloten werden dürfen. Die physische und psychische Auswahl ist hart, nur wenige schaffen es.

Der Weg zum Kampfpiloten ist lange und führt natürlich auch über viele Stunden im Flugsimulator. (Foto: Bundeswehr)

In der Oberstufe des Gymnasiums hatte Heißenberg, der mit seiner Familie bereits als Kleinkind von Hannover in den Landkreis gezogen war, seine Schwerpunkte auf Physik und Wirtschaftsinformatik gelegt. Dass ihn Technik fasziniert, zeigt sich im Gespräch sehr schnell, kann er doch alle möglichen Flugzeugmodelle aufzählen, hat Details parat und traut sich sogar eine Stärke-Schwäche-Analyse von Eurofighter und US-Pendants wie F 16 oder F 22 zu. Der amerikanische Jäger sorgt bei ihm zwar für leuchtende Augen, der europäische Jet habe aber in bestimmten Einsatzszenarien die Nase vorn. Die beiden Leute von der Pressestelle, die mit am Tisch sitzen und naturgemäß eher europäisch orientiert sind, atmen auf.

Das mit dem Berufswunsch Kampfpilot kristallisierte sich bei dem Olchinger schon früh heraus. In der siebten Klasse fing es an. Nicht etwa mit dem US-Blockbuster Top Gun und dem Hauptdarsteller Tom Cruise. Den habe er erst viel später angeschaut - "und er hat mir eigentlich auch gar nicht so gut gefallen." Vor allem faszinierten Heißenberg damals Computerspiele, in denen man in die Rolle eines Kampfpiloten schlüpfen kann. Die wirkten einigermaßen realistisch, auch wenn sie die Komplexität der richtigen Fliegerei mit Überschallgeschwindigkeit natürlich nicht abbilden können. Ebenso wenig wie die körperliche Belastung bei Starts, Landungen sowie Flugmanövern, bei denen es einen mit dem Mehrfachen des eigenen Körpergewichts in den Sitz presst und einem der Atem zu stocken droht.

Die Freunde finden seine Berufsentscheidung "cool": Der Olchinger Nils Heißenberg will einmal einen Kampfjet wie jenen Tornado fliegen, vor dem er auf dem Fliegerhorst posiert. (Foto: Bundeswehr)

Mit 19, nach dem Abi, fuhr Heißenberg nach Köln und unterzog sich den obligatorischen Gesundheitschecks, bei denen die Offizierstauglichkeit festgestellt wird. Es folgten Motoriktests in einer Art Flugsimulator, bei denen Multitasking gefragt ist wie etwa simulierter Funkverkehr bei gleichzeitigem Einsatz von Händen und Füßen. Und es folgten weitere Checks im Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin. In Heißenbergs Gruppe schafften es vier von fünf, in der einwöchigen "Phase III" mit Theorie und Praxis sowie englischsprachigem Briefing wurde dann schon stärker ausgesiebt: Heißenberg schaffte die "Jet-Eignung" als einziger in seiner sechsköpfigen Gruppe. Wer diese Hürde nicht schafft, beginnt häufig eine Ausbildung zum Waffensystemoffizier oder beispielsweise zum Hubschrauberpiloten.

Seit Juli gehört Nils Heißenberg der Bundeswehr an, seit Oktober nimmt er am Lehrgang der Offizierschule teil, den er bis September als Fahnenjunker abschließen will. Standardmäßig enthalten ist darin eine einwöchige Segelflugausbildung. Läuft alles reibungslos, dann wird er im Oktober an der Bundeswehruni in Neubiberg "Aeronautical Engineering" studieren. Es folgt die Flugausbildung in Goodyear im US-Bundesstaat Arizona, bevor an Jets wie Eurofighter oder Tornado geschult wird. Ein 2005 nach etwa 3600 Flugstunden ausgemusterter Tornado steht am Rande des Appellplatzes auf dem Fliegerhorst. Die Informationstafel zeigt, auf was sich Niels Heißenberg gefasst machen darf: Der 1985 in Dienst gestellte Jet war etwa 2300 Stundenkilometer schnell - mehr als zweifache Schallgeschwindigkeit.

Insgesamt dauert die Ausbildung bis zum Erwerb des entsprechenden Führerscheins fünfeinhalb Jahre, gleichwohl wird sie auch danach kontinuierlich durch weitere Schulungen ergänzt. Heißenberg hofft auf einen Job beim Geschwader 31 "Boelcke" in Nörvenich bei Köln. Die dort stationierten Eurofighter sind auf den Luft-Boden-Kampf spezialisiert.

Bis dahin freilich ist es noch ein langer Weg. Bereut hat Heißenberg seine Entscheidung bislang aber nicht. Von Montag bis Freitag auf der Zweimannstube? Kein Problem. Ebenso wenig wie frühes Aufstehen, Disziplin, Befehle empfangen, Uniform. Das alles gehöre halt dazu, sagt der 20-Jährige, "ich fühle mich wohl". Die schwierigsten psychischen Prüfungen hat der junge Offizieranwärter ohnehin bereits hinter sich: Die Waffe reinigen kann bei einem besonders peniblen Vorgesetzten schon mal nahezu den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Nils Heißenberg kann darüber längst lachen. In solchen Momenten hilft es immerhin, sich an seinen Traum zu erinnern: über den Wolken die grenzenlose Freiheit zu suchen. Am besten im Cockpit eines Düsenjets.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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