Poetry-Slam:Applaus, Applaus

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Der Münchner Stadtmeister Yannik Sellmann trägt in Germering einen Text über das Mobbing vor, dem er als Schüler ausgesetzt gewesen ist. Dafür erhält er den stärksten Beifall und gewinnt den Wettstreit zwischen neun Jungdichtern

Von Julia Huss, Germering

Die hellen orangefarbenen Wände bilden einen starken Kontrast zu der dunklen Bühne in einer Ecke des Raumes. Gegenüber befindet sich ein kleines DJ-Pult. Die Dartscheibe, aber auch die raketenförmige Lavalampe geben der Cordobar das typische Flair eines Jugendzentrums.

Unter einer glitzernden Discokugel haben sich ungefähr 30 Leute auf schweren, alten Holzstühlen vor der Bühne niedergelassen. Als die im Hintergrund laufende Musik verstummt, betreten die beiden Moderatoren Ko Bylanzky und Mate Tabula die kleine Bühne, um mit der dritten Ausgabe des "G-Town Slams" in der Cordobar zu beginnen.

Mit einem Kompliment an die Besucher will Darryl Kiermeier die Gunst des Publikums gewinnen. (Foto: Günther Reger)

Die beiden Veranstalter haben junge Poeten auf die Bühne gebeten, damit diese sich in ihrem Können in einem literarischen Vorlesewettbewerb messen. Neun Teilnehmer sind dem Aufruf zum modernen Dichterwettstreit gefolgt und versuchen mit lyrischen Texten, Rap-Poesie oder humorvollen Geschichten innerhalb eines sechsminütigen Zeitlimits das Publikum von sich zu überzeugen.

Am Ende entscheiden die Zuschauer mit ihrem Applaus darüber, welcher Poet von der Vorrunde in das Finale einzieht und wer am Ende der Gewinner ist. Sicherlich ist es vor allem für die Slammer eine große Herausforderung, auf der Bühne selbst verfasste Texte vor Publikum vorzutragen. Aber auch die Zuschauer müssen an diesem Abend eine schwierige Aufgabe erfüllen, denn die Teilnehmer machen ihren Zuhörern die Entscheidung über den Gewinner alles andere als leicht.

Um die Gunst des Publikums wirbt auch Eva Stepkes. (Foto: Günther Reger)

Auch die amtierende bayerische U-20-Vizemeisterin, Sarah Potye, hat sich zum Ziel gesetzt das Publikum zum Jubeln zu bringen. Das Mädchen aus Aschheim setzt auf Gefühl. Sie heißt das Publikum willkommen mit ihrem Text "Overkill", in dem es um die "kleine Schwarz-Weiß-Welt" geht, in der ein richtiger Schritt und ein Fehltritt nur durch einen "kleinen Splitt" getrennt sind. Frei und mit tiefer, durchdringender Stimme trägt Potye ihren Text über die gefährliche Abhängigkeit zu einer Person vor, die sie nachts nicht schlafen lässt und dazu zwingt, nächtelang ihre Gedanken aufzuschreiben.

Mate Tabula muss als Veranstalter des G-Town Slams nicht um Beifall heischen. (Foto: Günther Reger)

Trotz der Tatsache, dass Potye ein teilweise sprachloses, aber vor allem begeistertes Publikum hinterlässt, reicht es an diesem Abend nicht fürs Finale. Das wird von drei jungen Männern bestritten, die nach der Vorrunde noch ein weiteres selbst verfasstes Werk den Zuschauern präsentieren dürfen. Darunter der bayerische U-20-Meister von 2014, Darryl Kiermeier. Der Münchner setzte bereits in der Vorrunde auf die richtige Mischung aus Humor und Emotionen. Mit Sätzen wie: "Applaus an dich, denn du bist die Krone der Schöpfung", will er allen Besuchern des Poetry Slams ein Kompliment zu machen, denn so etwas mache man viel zu selten.

Ebenfalls im Finale begeistert Kiermeier mit seiner entspannten Art und spricht darüber, wie sich sein langjähriger Freundeskreis auseinandergelebt hat. Trotz des jubelnden Publikums kann sich der Münchner aber am Ende nicht gegen den tosenden Applaus durchsetzen, den sein härtester Konkurrenten bekommt.

Gewinner des Abends ist nämlich der Münchner Stadtmeister von 2017, Yannik Sellmann. Bereits in der Vorrunde bringt Sellmann das Publikum zum Kreischen, als er mit einer riesigen Portion Ironie und einer immensen Authentizität von seiner Schulzeit erzählt, in der er stets gemobbt wurde.

Auch im Finale schießen die Worte in unfassbarer Schnelligkeit und mit so viel Humor aus ihm heraus, dass die Gunst der Zuschauer ihm sicher ist. Am Ende geht nicht nur Sellmann mit seinem Preis, ein Gutschein für ein Büchergeschäft, nach Hause, das Publikum nimmt ebenfalls etwas mit. Denn trotz all des Applauses, Lachens und manchmal auch Kopfschüttelns hat jeder Poet einen ganz persönlichen Teil seines Lebens mit den Zuhörern geteilt. Jede Geschichte, jedes Gedicht und jeder Witz ist dem ganz normalen Alltag der jungen Menschen, die an diesem Abend den Mut hatten auf die Bühne zu treten, entsprungen.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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