Mitten in Fürstenfeldbruck:Stadtrat am Smartphone

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Die Wischtelefone stören in einer Sitzung. Doch nicht alle Stadträte können von den Geräten lassen, auch nach dem Ertapptwerden machen sie weiter

Von Peter Bierl

Fluch und Segen der Technik zeigen sich selten so deutlich wie beim Smartphone. Immer und überall hat man Zugriff auf alle möglichen Informationen, von denen man sonst nicht einmal geahnt hätte, das sie einem fehlen. Dauernd kann man chatten und netzwerken, ständig ist man erreichbar. Wer die Muße liebt, kann ja abschalten oder schafft sich so ein Teil erst gar nicht an. Zur Kehrseite gehören Autofahrer, die am Steuer, und Schüler, die während des Unterrichts die Finger nicht davon lassen können. Weniger gefährlich als Autofahrer, aber nerviger als Schüler sind Zeitgenossen, die das menschliche Zusammensein im analogen Raum sabotieren, in dem sie mitten im Zwiegespräch oder in geselliger Runde das Smartphone zücken oder im Zug die Mitreisenden unterhalten.

Die Dritte Bürgermeisterin von Fürstenfeldbruck, Karin Geißler, hatte also das moralische Empfinden auf ihrer Seite, als sie den Stadtrat Herwig Bahner in einer Sitzung rüffelte. Nicht bloß, dass dessen Smartphone geklingelt hatte, während die Kollegen über das Lichtspielhaus debattierten, sondern Bahner stand auf und marschierte mit dem Gerät in den Vorraum, um zu telefonieren. Alle anderen würden dadurch gestört und leider passiere das bei ihm ziemlich regelmäßig, tadelte Geißler. Als Sitzungsleiterin sprach sie so etwas wie eine offizielle Ermahnung aus. Bahner reagierte, wie es ertappte Oberstufen-Pennäler zu tun pflegen. Er murmelte etwas in seinen Bart und machte eine wegwerfende Geste. Fünf Minuten später hatten sich die Stadtratskollegen einem neuen Tagesordnungspunkt zugewandt, Bahner zückte erneut das Smartphone, wischte und tippte auf dem Display herum.

Vielleicht lag es am Thema, der Festbeleuchtung der Innenstadt. In der Prä-Smartphone-Zeit pflegten Schüler und Kommunalpolitiker ein bisschen zu dösen, wenn es langweilig wurde. Das ist eine vergleichsweise unauffällige Reaktion, an der kaum einer Anstoß nimmt - von uncoolen Lehrern abgesehen. Das Smartphone hingegen lässt sich nicht einfach ignorieren, es ist eine Provokation. Ermahnungen helfen im Regelfall wenig. Die effektivste Gegenmaßnahme an der Schule besteht darin, die Geräte vor Unterrichtsbeginn einzusammeln.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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