Mitten in Fürstenfeldbruck:Die Mauer muss bleiben!

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Mag die große Politik auch Mauern einreißen, in Fürstenfeldbruck bleibt eine wichtige Trennwand stehen: die zwischen den Faschingsfreunden und der Heimatgilde

Kolumne von Stefan Salger

Die Mauer muss weg! Die Mauer muss weg!! Die Mauer muss weg!!! 1989 war das, wer würde sich nicht daran erinnern. Und weil immer mehr Menschen aus der DDR rübermachen wollten, fiel die Mauer buchstäblich zusammen zu einem Haufen Schutt. (Kaum zu glauben, dass vom Mauerfall bis heute mehr Zeit vergangen ist als vom Mauerbau bis zum Mauerfall.) Ähnliches Bild im Jemen, wo Norden und Süden wieder zueinanderfanden. Insgesamt scheinen die Zeichen weltweit auf Versöhnung und Wiedervereinigung zu stehen. Sogar der kleine Diktator mit dem großen Raketenknopf aus Nordkorea schickt seine Wintersportler zu den Olympischen Spielen beim Klassenfeind Südkorea. Donald Trump, der sich entgegen dem Trend an der Grenze zu Mexiko als Maurer verdingen will, blenden wir jetzt mal aus.

Einem Bauwerk jedenfalls haben Mauerspechte ebenso wenig etwas anhaben können wie der Zahn der Zeit. Es steht ausgerechnet in Fürstenfeldbruck. Und es trennt zwei Völker, die doch eigentlich Brüder im Geiste sind. Beide sind sie beinahe chronisch gut gelaunt, tragen gerne bunte Kleider, in Ausnahmefällen sogar Pappnasen im Gesicht. Und beide werden sie regiert von mehr oder weniger demokratisch für eine überschaubare Amtsperiode gewählten Regenten. Obwohl sie sogar die selbe Sprache sprechen, kommen sie nicht so richtig zusammen. Es gab Gespräche und Verhandlungsansätze für eine Wiedervereinigung. Das ja. Aber die Emissäre sind letztlich unverrichteter Dinge auseinandergegangen. Lange vor den schwarz-grün-gelben Gedankenspielen im Schlepptau der Bundestagswahl scheiterte ihr Führungspersonal bei den bilateralen Koalitionsverhandlungen. Während das Kind in Berlin noch vor der avisierten Geburt auf Jamaika-Koalition getauft wurde, grübelten sie in Fürstenfeldbruck: Heimatfreunde? Faschingsgilde? Doch es blieb dabei: Die vor 70 Jahren gegründete Heimatgilde und die Faschingsfreunde, die sich vor 35 Jahren von ihr abgespaltet haben, gehen weiter getrennte Wege: Zwei Faschingsbälle, zwei Faschingstreiben auf dem Geschwister-Scholl-Platz. Also bleibt die Mauer stehen. Sie trennt das Vereinsheim - hier der Henrik-Moor-Weg 4 a (Faschingsfreunde), da der Henrik-Moor-Weg 4 c (Heimatgilde). Wer die Mauer in Jubeltrubelheiterkeitsstimmung einzureißen gedenkt, sollte noch mal nüchtern nachdenken: Die ist ein tragendes Bauteil. Wird sie rausgeklopft, dann fällt den Faschingsnarren die Decke auf den Kopf. Das freilich wäre nicht lustig.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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