Mitten in Puchheim:Invasion der Silberfische

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Die Natur verfügt über ganz beachtliche Selbstheilungskräfte

Von Peter Bierl

Vor jeder Klimakonferenz treten Wiedergänger von Kassandra auf und warnen vor dem Untergang. Das will natürlich keiner hören und glauben sowieso nicht. Wachstum, Wachstum über alles, lautet der Refrain der neuen Internationale. Und Kassandra liegt sowieso falsch. Es gibt gar keine Naturzerstörung, sondern nur Veränderungen mit Gewinnern und Verlierern: Die Sahara mag bis Mailand reichen, dafür gibt es Chianti aus Schweden und frisches Erdöl aus Grönland.

In Puchheim lässt sich das gut beobachten: Keine 200 Jahre ist es her, dass ein paar Grattler begannen, dem Moor Bauland und Gewerbegebiete abzuringen. Die Entwicklung von der Müllkippe Münchens zur Kleinstadt dauerte keine hundert Jahre, und jetzt sieht es so aus, als würde sich die Natur alles zurückholen. Zuerst nisteten sich ein paar Saatkrähen ein, inzwischen sind es Hunderte, in der Allinger Straße versteht man seinen eigenen Autolärm nicht mehr.

Nun hat eine aufmerksame Stadträtin entdeckt, dass sich in der Grundschule Süd Wollmäuse und Silberfischchen tummeln. Wehret den Anfängen, forderte die Politikerin, am Ende fressen die Tierchen noch die Schulbücher auf. Und an der Kennedystraße im Planieviertel im Herzen der Stadt greift eine Taubenplage um sich. Etwa 40 Exemplare dieser Ratten der Lüfte wurden an einem einzigen Hochhausbalkon gesichtet. Mit der Geothermie wird schließlich dem gemeinen Grottenolm der Weg an die Oberfläche gebahnt. Zu befürchten steht, dass die Kommune wieder nur halbherzig reagiert, dabei sind die Obergrenzen längst überschritten. So glaubt etwa ein Altbürgermeister, der Tauben-Invasion mit einem einzigen Netz Herr werden zu können, was schon bei den Saatkrähen nicht verfangen hat.

Man muss die Natur mit ihren eigenen Waffen schlagen. Greifvögel scheuchen die Krähen von der Peripherie ins Zentrum, wo sie die Tauben massakrieren, anschließend mit Netzen gefangen und den Silberfischchen vorgeworfen werden. Die wiederum sind dem Hungertod preisgegeben, sobald die Digitalisierung das letzte Buch ersetzt hat.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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