Mitten in Fürstenfeldbruck:Godot und der Rathaus-Sesam

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Die Geduldsprobe mit nicht öffentlichen Sitzungen in Fürstenfeldbruck

Von Stefan Salger

Komm, wir gehen! - Wir können nicht. - Warum nicht? - Wir warten auf Godot. - Ah! Samuel Beckett lässt die beiden Landstreicher Estragon und Wladimir diesen Dialog führen. Zum 70. Jahrestag des Theaterklassikers wird eine Neuinterpretation in Fürstenfeldbruck aufgeführt. Als Bühne dienen Treppenhaus sowie Vorraum zum Sitzungssaal im Rathaus. Menschen drängen sich dort am Mittwoch vor einer Woche und studieren das Hinweisschild der Regie, das an der dunkel getäfelten Tür angebracht ist. Sinngemäß heißt es darauf: Wir müssen draußen bleiben!

Ganz vorne stehen Estragon und Wladimir: Was soll das? - Hm, nicht öffentliche Sitzung. - Warum ist die denn vor der öffentlichen Sitzung, der Stadtrat tagt doch normalerweise um sieben. - Schon wahr, aber diesmal sollte sie erst um dreiviertelacht Uhr beginnen. - Hm. Ist aber schon nach acht jetzt. Und wir warten. - Ah! Plötzlich öffnet sich die Tür. Godot? Nein. Eine junge Schauspielerin in der Rolle der CSU-Stadträtin Simone Görgen. Sie müsse nur eben mal nach ihrem kleinen Kind sehen und werde gleich wieder zurückkommen. Aber es werde vielleicht schon noch eine halbe Stunde dauern, bis der nicht öffentliche Teil durch sei. Bereits zehn Minuten später öffnet sich dann aber knarzend der Sesam und die knapp 40 Räuber werden eingelassen. So jedenfalls könnten sich die Besucher fühlen, die lange vor verschlossenen Türen standen und von paradiesischen Zuschauersesseln und fesselnden kommunalpolitischen Debatten träumten.

In Fürstenfeldbruck häuft es sich, dass der nicht öffentliche Teil vorverlegt wird. Dafür gibt es sicher gute Gründe (die aber nicht öffentlich sind). Während die Stadt über Bürgerfreundlichkeit und Transparenz und Liveübertragungen aus dem Plenum nachdenkt, schauen draußen leibhaftige Besucher gegen mäßig transparente Türflügel und wedeln regelmäßig mit den Armen, damit der Bewegungsmelder das Licht wieder anknipst. Letzens vertraten sich die Leute auf der Treppe bis fast runter zur Eingangstür die Beine. Drama? Komödie? Tausendundeine Nacht? Oberbürgermeister Erich Raff kündigt jedenfalls ein Happy End an. Er bedauert im kleinen Kreis die Wartezeiten. Das seien Ausnahmen gewesen. Künftig soll das so weit wie möglich vermieden werden. Versprochen. Ah!

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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