Mitten in Fürstenfeldbruck:Gefragter Grüß-Gott-Onkel

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Die vielen repräsentativen Termine schafft einer allein nicht. Deshalb hat OB Erich Raff Hilfe beim Hände schütteln

Von Stefan Salger

Als der Ministerpräsident Horst Seehofer vor einigen Jahren turnusgemäß das Amt des Bundesratspräsidenten innehatte und Israel bereiste, bezeichnete ihn die Welt ein wenig boshaft als Grüß-Gott-Onkel. Das sollte heißen, dass Seehofer nur repräsentieren und für schöne Fotos posieren durfte, aber nicht wirklich etwas zu entscheiden hatte. Ein paar Jahre später wurde das Grüß-Gott-Onkel-Amt in Fürstenfeldbruck eingeführt - und wegen der großen Last fraktionsübergreifend auf viele Schultern verteilt. Deutlich wird das bei der Lektüre des Rathausreports. Auf der vorletzten Seite der Mai-Ausgabe unter der Rubrik "Jubilare" ist nicht nur der legitime oberste Repräsentant der Stadt, OB Erich Raff, zu sehen, wie er hier zur Eisernen und dort zur Goldenen Hochzeit gratuliert. Scheinbar machen ihm Konkurrenten das Feld streitig: BBV-Stadträtin Irene Weinberg gratuliert zu einem 90. Geburtstag, ihr BBV-Fraktionskollege Hardy Baumann stößt mit einem Gläschen Sekt bei einer Goldenen Hochzeit an und der Christsoziale Franz Höfelsauer überreicht ein rot eingepacktes Präsent mit Schleifchen an ein Goldenes Hochzeitspaar. In älteren Ausgaben lächeln Christian Götz (BBV) und Karin Geißler (Grüne) geduldig in die Kamera.

Die Brucker Stadträte sind sich also für das repräsentative Amt des Gratulanten oder eben auch Grüß-Gott-Onkels (Synonym: Grüß-Gott-August) nicht zu schade - im Gegensatz zu manch überheblicher Person der Zeitgeschichte. So antwortete der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1995 auf die Frage, warum er denn nicht zum 50-jährigen Uno-Jubiläum nach New York geflogen sei, etwas rotzig: "Ich mache da nicht den Grüß-Gott-August." Ziemlich genau zehn Jahre später ließ sich der fast ebenso prominente Matthias Strobel nach seiner Wiederwahl zum Stimpfacher Bürgermeister vom Hohenloher Tagblatt zitieren mit den Worten: "Ich bin kein Grüß-Gott-Onkel".

Niemand sollte sich über die engagierten Brucker Stadträte lustig machen. Zumal viele Wähler mit einem Kandidatennamen auf dem Wahlschein wenig anfangen können und sich auch nicht mit Parteizugehörigkeit oder Wahlprogramm beschäftigen wollen. Wer da oft Grüß Gott gesagt, ein Präsent überreicht oder mit einem Gläschen angestoßen hat, der ist nicht nur nett und fleißig und bürgernah. Er ist auch noch klar im Vorteil, wenn Jubilare, Angehörige und Leser mal wieder ihr Kreuzchen setzen.

Warum Erich Raff da bereit ist, das ihm zustehende Grüß-Gott-Onkel-Amt so oft abzutreten? Vielleicht ist es der enge Terminplan. Vielleicht aber auch der Umstand, dass er in sechs Jahren aus Altersgründen gar nicht mehr gewählt werden kann. Beendet er die reguläre Amtsperiode, dann ist er 70. Eigentlich ein gutes Datum für den Besuch eines Grüß-Gott-Onkels.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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