Mitten in Fürstenfeldbruck:Anna an Bord

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Eine neue Begleiterin leitet seit Kurzem den Fahrer auf Routen durch den Landkreis, die er sonst nie kennengelernt hätte. Die Stimme reagiert sogar auf die Stimme des Herrn am Lenkrad. Sie murrt nur, wenn genuschelt wird

Von erich c. setzwein

Seit zwei Wochen liebe er Anna. Seine Frau hat nichts dagegen, weil sie weiß, dass es höchstens eine platonische Liebe sein kann und er wegen der neuen Begleiterin manchmal sogar früher nach Hause kommt. Anna hat kein Gesicht, sie hat nur eine angenehme Stimme, die aus einem schwarzen viereckigen Körper auf dem Armaturenbrett kommt. Sie ist eine Dienstleisterin und hat sich ihre Ansagen bezahlen lassen. Weil es nur um Strecken zwischen A und B geht, wird aus der Liebe zu Anna auch kein Dreiecksverhältnis werden.

Anna hat den "Baron aus Wien" ersetzt, der im alten Navigationsgerät schnarrende Abbiegebefehle und Ermahnungen gegeben hatte. Doch das alte Navi samt Dialektstimme ist in der Sommerglut geschmolzen. So bekam Anna ihre Chance. Sie hat sie, bis jetzt, nicht verspielt auf den Touren durch den Landkreis. Zu Terminen nach Oberschweinbach oder nach Türkenfeld zu fahren, ist sogar angenehmer und lehrreicher geworden, weil die nette Stimme an der Frontscheibe jede Straße ansagt, in die man bitte fahren möge. Auch im Gröbenzell-Puchheim-Konglomerat gibt sie präzise Anweisungen, an jeder Ampel in Germering sagt sie dem Fahrer, ob er rechts oder links abzubiegen hat und den Kreisverkehr in Moorenweis sagt sie schon zwei Kilometer, bevor er überhaupt in Sicht kommt, zuverlässig voraus. Da werden Routen geplant, die der Fahrer sonst sein Lebtag nie kennenlernen würde. Es sollen dabei immer auch die kürzesten Strecken sein, die ein Reporter von Biburg aus nach Mammendorf zurücklegen soll, damit er auf dem Rückweg über Kaltenberg, Grafrath und Schöngeising in die Brucker Redaktionsstube ja keine Zeit verliert.

Anna reagiert auf die Stimme des Herrn am Lenkrad, sie murrt nur, wenn genuschelt wird "Ich habe Sie nicht verstanden", sagt sie dann. Bis zu jener fast verhängnisvollen Zielangabe, die mit dem neuen Windrad zu tun hat. "Malching" war der eindeutige, zweisilbige und durchaus verständliche Sprachbefehl an den schwarzen Kasten mit der bunten Straßenkarte. "Meinten sie Malediven?", hört der urlaubsreife Fahrer die Frauenstimme fragen. Doch bevor er nachdenken und mit "Ja" antworten kann, zeigt ein Blick auf den Bordcomputer, dass für diesen Trip die Tankfüllung nicht ausreichen wird.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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