Marianne Sägebrecht:"Respekt ist für mich ein Urthema"

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Seit ihrer Jugend beschäftigt sich Marianne Sägebrecht mit dem Thema Tod. Im Interview spricht sie über die Kraft der Lyrik, die Selbstmordabsichten eines Freundes und die Vision ihres eigenen Abschieds

Interview: Florian J. Haamann

Marianne Sägebrecht (Foto: Günther Reger)

Die Schauspielerin Marianne Sägebrecht gehört zu den großen bayerischen, wenn nicht deutschen, Schauspielerinnen ihrer Generation. Aber nicht nur im Film beschäftigt sie sich den großen Fragen des Lebens. Vor drei Jahren veröffentlichte sie gemeinsam mit Josef Brustmann eine CD mit Sterbeliedern großer Dichter. Am Freitag sind die beiden mit diesem Liedern zu Gast in Puchheim.

SZ: Frau Sägebrecht, erinnern Sie sich noch daran, seit wann Sie sich mit Tod als Thema auseinandersetzen?

Marianne Sägebrecht: Also bei mir ging das schon früh los. Als 15-jähriges Mädchen hatte ich einen Kaplan in der Realschule, der uns sehr philosophische Einblicke in das katholische Leben gab. Er ging immer ins Krankenhaus zu den sterbenden Menschen und gab ihnen die letzte Ölung. Und weil ich dem Thema immer offen gegenüberstand, hat er mich eines Tages gefragt, ob ich ihn begleiten will.

Aber wie kam es zu dieser Offenheit?

Ich denke, auf dem Dorf war das selbstverständlich. Man hat die Toten noch einmal aufgebahrt gesehen und sich von ihnen verabschiedet. Außerdem hatte ich schon immer ein sehr breites Verständnis von Glauben. Später dann in meiner Ausbildung zur medizinisch-diagnostischen Assistentin habe ich bei einem Ganzheitsmediziner gelernt und angefangen, Körper und Seele als Einheit zu verstehen. Und da habe ich auch eine ethische Haltung gelernt, Respekt gegenüber den Mitmenschen und auch den Verstorbenen. Seitdem ist das für mich ein Urthema.

Vor ein paar Jahren haben Sie sich dann entschieden, gemeinsam mit Josef Brustmann eine CD mit Sterbeliedern und Gedichten aufzunehmen. Wie ist es dazu gekommen?

Josef hat damals eine Laudatio für mich geschrieben, und wir haben uns oft unterhalten und sind schnell darauf gekommen, dass der Umgang mit dem Tod auch für ihn ein wichtiges Thema ist. Also haben wir uns zusammengetan.

Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?

Er hatte damals schon einige Gedichte gesammelt, weil er persönlich innerhalb seiner Familie immer wieder mit dem Tod konfrontiert war. Und weil er der Meinung war, dass man damit den Menschen Trost und Hoffnung schenken kann. Dann kam ich und habe meine Ideen dazu gegeben, beispielsweise die Gedichte von Kästner, und und und. Da der Josef ein begnadeter Musiker ist haben wir dann gesagt, wir machen eine CD. Dann kam noch der Andy Arnold dazu, der auch ein ganz begnadeter Musiker ist, das kann ich nicht oft genug sagen.

Und wie haben Sie das alles auf einer CD untergebracht?

Wir haben da einen Rhythmus gefunden. Erst komme ich mit einem Gedicht, dann der Josef mit Musik, er spielt Klavier, Mundharmonika und Zither. Wenn er Schubert auf der Zither spielt, ist das einfach unglaublich schön. Danach kommt dann immer der Andy mit Klarinette oder Saxofon und spielt eben als Solist seine Variationen. Wir begeben uns dabei mit den Zuhörern auf eine Reise. Eine sehr heitere und tröstliche Reise, auch wenn es natürlich um Melancholie und Abschied geht.

Sicher gab es auch Besucher, die irritiert waren, als sie gehört haben, Marianne Sägebrecht tritt jetzt mit Sterbeliedern auf.

Die gab es natürlich. Aber nachdem sie das Programm angehört hatten, waren sie immer ganz gerührt. Ich lese ja auch Rilke, der viele, ich nenne sie mal bürgerliche Fans, hat. Und wenn ich dann seine Gedichte sehr bewusst vortrage, damit man auch den Inhalt versteht, kommen die Leute danach und sagen mir, wie schön das war und dass sie jetzt unbedingt einen Gedichtband kaufen müssen. Dann freue ich mich immer sehr, wenn ich die Menschen auch mit Gedichten aus ihrem Terrain herauslocken kann.

Sie haben schon erzählt, dass Sie sich immer wieder mit dem Tod beschäftigt haben. Gibt es auch schöne Geschichten, die Sie darüber erzählen können?

Es gab da mal einen Fall, da kam ein Freund zu mir und sagte, dass er nicht mehr kann und nicht mehr wolle und dass er sich umbringen möchte.

Das klingt jetzt noch nicht nach einer schönen Geschichte.

Ich habe ihm geantwortet: Da hast du aber noch ganz schön viel zu tun. Ich habe ihn gefragt, wie er sich das vorstellt, wo er denn nach dem Tod hin wolle. Er wolle es nur dunkel und warm, sonst nichts. Na da täuschst du dich, habe ich gesagt, da wird auch nichts mit Ruhe sein. Außerdem hast du eine Freundin und eine Familie, überlege dir mal, wie du das alles hinkriegst.

Und wie er hat darauf reagiert?

Nach zehn Tagen hat er mich angerufen und gesagt, dass ich ihm eine Menge schlaflose Nächte bereitet habe und er jetzt weiß, wo er hin will: nach Teneriffa. Und dann ist er tatsächlich dorthin gegangen, hat sich ein Haus gekauft und kleine Gewächshäuschen geschmiedet und dort lebt er immer noch, sogar eine Krebserkrankung hat er besiegt. Ist das nicht eine wundervolle Geschichte?

Das ist es wirklich. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie Sie irgendwann gehen wollen?

Schön wäre es, wenn ich es so haben könnte, wie es früher bei den alten Menschen in Italien war, die leben gemeinsam mit ihrer Familie und irgendwann sagen sie, ich bin müde, legen sich hin und schlafen einfach ein. Aber erst einmal freue ich mich über jeden Tag, den ich noch habe und an dem ich meine Projekte verfolgen kann.

Sterbelieder von Marianne Sägebrecht und Josef Brustmann, Freitag, 22. November, im Puc, Beginn: 20 Uhr

© SZ vom 21.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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