Landgericht:Haft für Unfall mit Todesfolge

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32-Jährige muss für ein Jahr und drei Monate ins Gefängnis. Die Münchnerin hatte im betrunkenen Zustand auf der B2 bei Puchheim einen Frontalzusammenstoß verursacht. Eine 44-jährige Frau wurde dabei getötet

Von Andreas Salch, Puchheim/München

Maria H. wurde nur 44 Jahre alt. Die Bürokauffrau starb am 15. Juni 2013 nachmittags bei einem tragischen Verkehrsunfall auf der B 2 bei Puchheim. Eine Frau aus München war in einer lang gezogenen Kurve mit ihrem Pkw mit einem Tempo von knapp 100 Kilometern in der Stunde auf die Gegenfahrbahn geraten und frontal gegen ihr Auto geprallt. Maria H. starb noch an der Unfallstelle. Die Unfallverursacherin, Kathrin Sch., hatte ein Blutalkoholkonzentration von knapp zwei Promille. An diesem Dienstag wurde die 32-jährige wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Sie muss für ein Jahr und drei Monate in Haft.

Dass das Verfahren so lange dauerte, hat mehrere Gründe. Rechtsfehler bei der Justiz, der Verlust der Akte zu dem Fall, und dass Kathrin Sch. alle ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausnutzte, um nicht ins Gefängnis gehen zu müssen. Im März 2014 hatte sie das Amtsgericht Fürstenfeldbruck zu zwei Jahren Haft verurteilt. Gegen diese Entscheidung legte sie jedoch Berufung ein. Im Dezember 2014 kam es zur Verhandlung vor dem Landgericht München II. Das Verfahren wurde aber ausgesetzt. Das Gericht ordnete an, die 32-Jährige von einem Psychologen und einem Psychiater begutachten zu lassen. Das dauerte. Erst Anfang Juli vorigen Jahres wurde die Sache erneut verhandelt. Kathrin Sch. erhielt nun eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung. Daraufhin ging sie in Revision vor dem Oberlandesgericht (OLG) München. Die Richter stellten fest, dass dem Landgericht München II ein Rechtsfehler unterlaufen war. Deshalb hoben sie das Urteil im Januar dieses Jahres auf und verwiesen die Sache zur erneuten Verhandlung zurück an das Landgericht München II.

Am Dienstag saß Kathrin Sch. in einem klein kariertem schwarz-weißen Kleid auf der Anklagebank der 6. Strafkammer. Die 32-Jährige zitterte. Sie habe sich "total beschissen" gefühlt an jenem 15. Juni 2013, sagte sie zu Richter Andreas Zeug. Ihr Freund habe ihr kurz zuvor gesagt, dass er sie nicht mehr liebe und sie aufgefordert, auszuziehen. Sie habe deshalb mit jemanden sprechen wollen. Die 32-Jährige hatte damals auch ein Alkoholproblem. Sie trank täglich eineinhalb Flaschen Wein. Obwohl sie völlig betrunken war, hatte sie sich am frühen Nachmittag in das Auto ihres Freundes gesetzt und war von München aus Richtung Fürstenfeldbruck gefahren, wo sie einen Freund treffen wollte, um mit ihm über ihre Situation zu reden. Warum sie nicht mit der S-Bahn gefahren sei, fragte Richter Zeug die Angeklagte. "Weil ich dumm und egoistisch war und nicht nachgedacht habe", lautete die Antwort. Wie es ihr seit dem Unfall gehe, will der Vorsitzende wissen. "Furchtbar", erwiderte Kathrin Sch. "Was ich gemacht habe, gehört zu den schlimmsten Dingen, die man wohl machen kann." Alle Betroffenen müssten darunter leiden. "Die Angehörigen und ich." Die 32-Jährige hat eine Alkoholtherapie gemacht und sei, wie sie sagte, seit drei Jahren trocken.

Einer der beiden Söhne von Maria H. ist Nebenkläger in dem Prozess. Er kam am Dienstag mit seiner Frau zu der Verhandlung vor dem Landgericht München II. Auch ihn fragte Richter Zeug, wie es ihm geht. "Nicht gut", sagte der 28-Jährige und fügte hinzu: Er frage sich, warum die Angeklagte ihre Strafe nicht längst angetreten habe. Hätte sie dies getan, bräuchte er sie nicht immer wieder sehen. "So haben wir den ganzen Schmarrn." Sein Bruder, so berichtete der 28-Jährige, sei über den tragischen Tod der Mutter nicht hinwegkommen und habe deshalb seine Ausbildung "verkackt". Dessen Chef habe lange Verständnis gezeigt. Aber nach zwei Jahren sei damit Schluss gewesen. Seinem Bruder sei gekündigt worden.

Staatsanwalt Simon Ramstetter fragte den 28-Jährigen, wie er damit umgehen würde, wenn Kathrin Sch. heute eine Bewährungsstrafe bekomme. "Das wäre absolut absurd", entgegnet er. "Man kann nicht jemanden totfahren und dann draußen rumlaufen."

Der Verteidiger von Kathrin Sch. forderte ein Jahr Haft auf Bewährung in seinem Plädoyer. Seine Mandantin "leidet unter dem, was sie sich selber zuzuschreiben hat", so der Anwalt. Ja, die Tat sei lange her, fand auch Staatsanwalt Ramstetter. Aber was habe sich denn geändert, fragte er und sagte: "Zwei Söhnen wurde die Mutter genommen, daran hat sich nichts geändert." Eine Bewährungsstrafe wäre ein "falsches Signal". Andere würden dann denken, "wenn man sich lange genug wehrt, geht man mit Null raus. Das darf nicht sein." Maria H. trage keinerlei Mitschuld an dem Unfall, sagte Richter Zeug unter anderem bei der Urteilsbegründung. "Es hätte jeden von uns treffen können", erklärte er. Das Rechtsempfinden der Bevölkerung, so Zeug, würde es nicht hinnehmen, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden wäre.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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