Kreisklinik Fürstenfeldbruck:Vergessene Patienten

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In der Kreisklinik warten Kranke bisweilen vergeblich auf die ärztliche Visite. Der Personalratsvorsitzende hält solche Vorfälle für untragbar. Der Missstand ist intern seit Jahren bekannt.

Von Gerhard Eisenkolb

Kreisrat Johann Märkl (Grüne) ist nicht der Einzige, der bei einem Aufenthalt seiner Tochter in der Kreisklinik in Fürstenfeldbruck vergeblich auf eine ärztliche Visite wartete. Auf die Berichterstattung der SZ über diesen Vorfall hin meldete sich der Eichenauer Manfred Morjan, der ähnliche Erfahrungen gemacht hatte wie der Kreisrat aus Landsberied.

Laut dem Personalratsvorsitzenden Dr. Holger Geißler, der als Mediziner in der Unfallchirurgie der Kreisklinik arbeitet, komme es seit Jahren immer wieder vor, dass bei der Visite Patienten übersehen oder vergessen würden. Der Personalrat sagt, er habe dieses Problem wiederholt angesprochen. Man habe sich bemüht, dem Missstand durch Umorganisation etwas entgegenzuwirken.

"Der Umstand missfällt mir sehr", sagt der Personalratsvorsitzende und fordert: "Wir müssen auf hundert Prozent kommen." Zu entschuldigen oder zu rechtfertigen seien solche Zustände nicht. So etwas dürfe einfach nicht passieren, sagt Geißler. "Patienten, die aufgenommen werden und sich in der Obhut der Klinik befinden, dürfen nicht vergessen werden", stellt der Personalratsvorsitzende kategorisch fest.

Ausnahmen von diesem Grundsatz dürfe es nicht geben, selbst wenn das Haus überbelegt sei. Auch die Tatsache, dass an anderen Kliniken oft noch schlimmere Zustände herrschten, ist für Geißler keine Ausrede, mit der sich solche Versäumnisse schönreden ließen. "Gott sei Dank ist noch nichts passiert, wodurch ein Patient einen bleibenden Schaden davongetragen hat", so der Chirurg.

Morjan war im Oktober an einem Wochenende wegen eines stark erhöhten, entgleisten Blutdrucks mit Herzrasen von einem Notarzt ins Brucker Klinikum eingewiesen worden. Als der Eichenauer am Montag vergeblich auf die ärztliche Visite und auf ein Gespräch über die weitere Vorgehensweise und Diagnose gewartet hatte, ließ er sich am nächsten Tag freiwillig entlassen. Von einem Gespräch mit dem Chefarzt, den Morjan entrüstet wegen einer Änderung seiner Medikation sprechen wollte, merkte sich der Patient nur dessen Frage, ob er privat versichert sei.

Kreisrat Märkl hatte am Silvestertag 2013 mit seiner Tochter die Notaufnahme aufgesucht, von der die Patientin zur weiteren Beobachtung in die Klinik eingewiesen worden war. Gegen ärztlichen Rat wurden sowohl Märkls Tochter als auch der Eichenauer Morjan auf eigene Verantwortung hin entlassen. Beide begründen ihren Schritt mit der unterlassenen Visite und fehlender Information. Beide loben aber ausdrücklich die Behandlung in der Notaufnahme und die Betreuung durch das Pflegepersonal.

Klinikvorstand Stefan Bauer räumt ein, dass solche Vorfälle, wie sie Märkl und Morjan schildern, immer wieder mal vorkämen. Aber er weist auch darauf hin, dass es sich um kein spezifisches Problem am Brucker Klinikum handle. Es entspreche der Lebenswirklichkeit, dass gerade an Wochenenden und Feiertagen nicht alles optimal ablaufe. Bauer weist auch darauf hin, dass sowohl Märkls Tochter als auch der Eichenauer Bluthochdruckpatient sich in der Beobachtungsphase befunden hätten. Eine akute Gefährdung habe nicht mehr vorgelegen. Die Unzufriedenheit der Patienten führt Bauer auf Kommunikationsprobleme zurück. Und er weist auch darauf hin, dass bei Visiten am Krankenbett die innerbetriebliche Zusammenarbeit das Problem sei.

Für verbesserungswürdig hält Bauer den Umstand, dass Ärzte häufig erst am späten Nachmittag zur Visite Zeit fänden. Laut Bauer sind auch sogenannte Kurvenvisiten möglich. Bei dieser Form der Visite kommt der Arzt nicht ans Krankenbett, sondern er macht sich anhand der Krankenakten und der Dokumentation ein Bild vom Krankheitsverlauf. Ein weiteres Problem sind die wegen des Mangels an Pflegekräften auf andere Stationen verlegte Patienten, deren Ärzte nicht für die nicht zu ihrer Station gehörenden Patienten zuständig sind.

Noch an einen weiteren Umstand erinnert Geißler. So sei das Klinikum zum Jahreswechsel von Patienten regelrecht überrannt worden. Deshalb hätte die medizinische Mannschaft dringend aufgestockt werden müssen. Da sich der höhere Personaleinsatz nicht rechne, die Kosten wären höher als die Erlöse, werde das unterlassen. Seit zwei Jahren weist das Brucker Krankenhaus Verluste aus.

Landrat Thomas Karmasin, bezeichnet es einerseits als "unentschuldbar", dass Patienten bei der Visite vergessen werden. Andererseits erinnert er daran, dass so etwas in allen Kliniken dieser Welt passiere. Diesen Widerspruch führt der Landrat auf grundsätzliche Probleme des Gesundheitssystems zurück. Das Kommunalunternehmen verteidigt Karmasin, indem er sagt: "Die Klinik ist mit Sicherheit gut aufgestellt, das ist das Verdienst der Menschen, die hier arbeiten."

© SZ vom 18.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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